In der Dermatoonkologie sind positive Nachrichten Mangelware. Die neue Substanzklasse der Checkpoint-Inhibitoren wurde schon als Paradigmenwechsel gefeiert. Jetzt wurde entdeckt, dass bestimmte Bakterien die Onkologika wirksamer und auch verträglicher machen.
Die Onkologie analysiert hauptsächlich das Innerste des Tumors, indem sie im Krebs-Genom nach potenziellen Schwachstellen sucht. Neuartige Therapieansätze haben die Tumorumgebung und symbiotische Netzwerke als Ziel. Checkpoint-Inhibitoren wie Ipilimumab verhindern, dass Krebszellen das Immunsystem abschalten. Die Immunzellen werden aktiviert und attackieren den Tumor.
Das Oberflächenmolekül CTLA-4 (Cytotoxische T-Lymphozyten-assoziierte Antigen) befindet sich auf vielen Immunzellen und verhindert, dass das Immunsystem zu stark aktiviert wird und gesunde Zellen zerstört. Deshalb wird der Kontrollpunkt als Checkpoint bezeichnet. Tumorzellen senden Signale, die den Immunangriff zum Stillstand bringen. Checkpoint-Inhibitoren lösen dieses Problem. Sie verlängern bei einem Teil der Melanompatienten signifikant die Überlebensrate. Viele Nonresponder, die Frage, ob die Therapie auch bei einer Erstbehandlung sinnvoll ist, und extreme Nebenwirkungen trüben die sonst positiven Erwartungen. Die fehlgeleitete Immunantwort führt zu starken Entzündungen im Darmbereich und an der Haut.
Ein Team um Laurence Zitvogel [Paywall] vom Institut de Cancérologie Gustave Roussy in Paris ging eigentlich der Frage nach, warum es beim Einsatz des Checkpoint-Inhibitors Ipilimumab häufig zu einer schweren Kolitis kommt. Die Forscher vermuteten eine Interaktion des Wirkstoffs mit den Darmbakterien und untersuchten deshalb Tiere, bei denen sie durch Antibiotika die Darmbakterien abgetötet hatten. Zur Überraschung stellte der Forscher fest, dass dadurch nicht nur die Nebenwirkung Kolitis verstärkt, sondern auch die Anti-Tumorwirkung von Ipilimumab deutlich abgeschwächt wurde. Der gleiche Effekt wurde durch eine Stuhltransplantation von mit Ipilimumab behandelten Patienten erreicht. Vermutlich waren die Darmbakterien in der Lage, T-Zellen für den Angriff auf den Tumor zu mobilisieren.
Forscher um Thomas Gajewski [Paywall] von der Universität Chicago experimentierten mit Checkpoint-Inhibitoren vom Typ der PD-1-Rezeptor-Blocker (Nivolumab, Pembrolizumab). Anders als CTLA-4-Blocker wirken sie im peripheren Gewebe und damit an der Kontaktstelle zwischen Tumorzelle und T-Zelle. Bei den Studien fiel auf, dass die von zwei unterschiedlichen Lieferanten gestellten Tiere mit einer unterschiedlichen Immunantwort auf dieselbe Therapie ansprachen. Wurden die Tiere im selben Käfig gehalten, stellte sich bei den Non-Respondern ein Therapieerfolg ein. Tiere mit guten Darmbakterien übertrugen diese Voraussetzung auf andere Mäuse. Gajewski und seine Kollegen vermuteten eine unterschiedliche Darmflora und stießen auf bestimmte Bifidobakterien. Wurden diese den Tieren verabreicht, war die Therapie nicht nur wirksamer, sondern auch erheblich verträglicher.
Nivolumab hat in einer Studie von Brahmer et al. die Überlebenszeit von Patienten mit fortgeschrittenem nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC) um 3,2 Monate verlängert. Im Vergleich zu Docetaxel erwies sich die Therapie jedoch als deutlich verträglicher. Die Ansprechrate von Nivolumab betrug 20 Prozent gegenüber 9 Prozent unter Docetaxel. Unter dem Aspekt der Melanom-Studien erscheint es sinnvoll, Probiotika auch in diesem Setting zu testen.
Für Probiotika, die Onkologika boosten sollen, gibt es sogar schon einen Namen: Oncobiotics. Denkbar ist, dass sie in den Tumor injiziert werden, das Immunsystem aktivieren und die Hemmwirkung der Tumorzellen reduzieren. Die synergistische Wirkung von Oncobiotics macht Checkpoint-Inhibitoren wirksamer und verträglicher. Gajewski gründete mit Kollegen ein Startup-Unternehmen, das diese Therapie zur Marktreife führen soll. Als Partner wurde die Universität Chicago gewonnen, um eine mikrobiombasierte Tumortherapie zu entwickeln. Weitere Studien müssen klären, ob ein Bakterien-Stuhltest eine Prognose über die Wirkung der Checkpoint-Inhibitoren geben kann. Ein anderer Ansatz ist, die Wirkung der Onkologika durch Probiotika zu steigern und die Nebenwirkungen zu reduzieren. Bis jetzt wurden drei Bakterienarten entdeckt, die die Therapie optimieren können, vermutlich erst der Anfang einer neuartigen Therapierichtung.