Sein Werk sorgte für einen riesigen Skandal: Der chinesische Wissenschaftler He Jiankui manipulierte gezielt das Erbgut eines Zwillingspaares. Jetzt muss er dafür ins Gefängnis.
Der chinesische Wissenschaftler He Jiankui muss wegen illegaler medizinischer Methoden ins Gefängnis. Das berichtet Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua. Er ist zu drei Jahren Haft und einer Geldstrafe in Höhe von drei Millionen Yuan (etwa 380.000 Euro) verurteilt worden. Mit ihm sind auch zwei weitere Mitglieder seines Forschungsteams zu Haft- und Geldstrafen verurteilt worden. Anfang letzten Jahres gab Chinas offizielle Nachrichtenagentur noch bekannt, dass He aus Ruhmessucht allein gehandelt habe.
Hes Experimente sorgten in der Vergangenheit weltweit für Diskussionen. Er hatte das Erbgut von Embryonen mithilfe der Genschere Crispr/Cas9 gezielt manipuliert, um Babys resistent gegen HIV zu machen. Ende 2018 kam erstmals ein Zwillingspaar mit verändertem Erbgut zur Welt, DocCheck berichtete. Doch inzwischen gibt es sogar Zweifel an den Ergebnissen seiner Versuche.
Nach Bekanntwerden der Genmanipulation wurde He aus der Fakultät entlassen, weitere gentechnisch veränderte Embryonen und Laborunterlagen wurden beschlagnahmt. Universität und Behörden beeilten sich zu versichern, dass die Genehmigung seines staatlich großzügig geförderten Forschungsvorhabens „Evaluation of the safety and efficacy of gene editing with human embryo CCR5 gene“, das im chinesischen Studienregister angemeldet und vom Ethik-Komitee geprüft worden war, gefälscht gewesen sei. Schwer zu glauben, dass das alles auf dem Mist eines einzigen Wissenschaftlers gewachsen sein soll. So bestätigte Prof. Dr. William Hurlbut, Bioethiker an der Universität Stanford, der vor dem Eklat mehrfach mit He über die Forschungsarbeiten gesprochen hatte: „Viele Leute wussten es, viele Leute ermutigten ihn. Er tat das nicht in einer Ecke.“ Es dürfte Hurlbut unangenehm sein, dass He ihm in einem wissenschaftlichen Manuskript dankt, das kürzlich aufgetaucht ist.
Das Manuskript soll bei Nature und JAMA eingereicht worden sein, wurde aber nicht publiziert. Auszüge daraus wurden vor wenigen Wochen bei MIT Technology Review veröffentlicht.
An dem Fachartikel sind elf Autoren von den Universitäten in Shenzhen und Peking sowie der Rice University in Houston beteiligt, He ist als korrespondierender Autor genannt. Die Ärzte, die die Fruchtbarkeitsbehandlung durchgeführt haben, tauchen nicht auf – vermutlich, damit die Identität der Kinder nicht herauszufinden ist, oder weil sie selbst von dem Experiment nichts wussten.
In dem Manuskript wird beschrieben, wie He und Kollegen mit der CRISPR-Cas9-Technologie eine natürlich vorkommende Mutation des Gens für den CCR5-Rezeptor in das Erbgut der Zwillinge eingebracht hat, die vor HIV schützt, denn der Vater war mit dem Virus infiziert.
Als Geburtsmonat der Zwillinge wird November 2018 genannt, aber laut Beteiligter und Medienberichten sind sie im Oktober geboren worden. Auch die überraschend kurze ethische Stellungnahme liefert eine Registrierungsnummer im chinesischen Studienregister vom 8.11.2018 – nach (oder kurz vor?) der Geburt der Kinder. Es kommen sogar Zweifel daran auf, dass der Vater tatsächlich HIV-positiv war, oder ob es sich um die Blutprobe von jemand anderem handelte.
Experten kritisieren außerdem, dass laut Manuskript in das Gen gar nicht die für eine HIV-Resistenz erforderliche „CCR5 Δ32“-Variante eingebaut wurde, sondern die Genaktivität komplett lahmgelegt wurde. Die Auswirkungen davon sind unklar: Es wurde nicht getestet, ob dies vor HIV schützt, und auch nicht, ob es andere Effekte gibt. Der Spezialist für Geneditierung Fyodor Urnov nannte dies eine „vorsätzliche Fehldarstellung“.
Auch halten Fachleute die CRISPR-Cas9-Technologie für ein ungeeignetes Werkzeug, weil es zu unbeabsichtigten Genveränderungen an anderen Stellen kommen kann. Wegen dieser sogenannten „Off-Target“-Mutationen ist die Verwendung beim Menschen extrem umstritten. Die Wissenschaftler haben den Embryonen einzelne Zellen entnommen und nach solchen Veränderungen gesucht. Sie haben angeblich nur eine gefunden, aber man kann ja nicht alle embryonalen Zellen durchforsten. Daten im Anhang weisen zudem darauf hin, dass es sich um „Mosaik-Embryonen“ handelt, bei denen nicht alle Zellen das gleiche Erbgut tragen. In der Diskussion des Fachartikels wurde darauf nicht eingegangen.
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Bildquelle: Thomas Knorr, unsplash