Ein Antikörper, in den viel Hoffnung gesetzt wurde, bleibt hinter den Erwartungen zurück. Er bietet keinen signifikanten Überlebensvorteil in der Kombinationstherapie einer bestimmten Form des Lungenkarzinoms.
Bei der KEYNOTE 604 handelt es sich um eine randomisierte, doppelblinde und Placebo-kontrollierte Phase III-Studie für das nicht vorbehandelte, metastasierte, kleinzellige Lungenkarzinom (SCLC). Weitere etablierte Bezeichnungen sind Haferzellkarzinom oder kleinzelliges Bronchialkarzinom. Eingeschlossene Patienten wurden mit der aus Etoposid und einem platinhaltigen Chemotherapeutikum (Carbo-/Cisplatin) bestehenden Standardtherapie sowie entweder einem Placebo oder dem PD-1-Antikörper Pembrolizumab behandelt.
Während es der Studie gelingt, einen ihrer primären Endpunkte zu erreichen, nämlich eine signifikante Verbesserung des progressionsfreien Überlebens (PFS), kann sie bezüglich des Gesamtüberlebens zwar eine Zunahme zeigen, diese erreicht jedoch nicht das gewählte Signifikanzniveau. Somit bleibt Keytruda® hinter den Erwartungen zurück. Zuvor hatte eine gepoolte Analyse aus den Phase I- bzw. II-KEYNOTE-Studien 028 und 158 bereits vielversprechende Ansprechraten im metastasierten und rezidivierten Stadium gezeigt und daraufhin auch von der FDA eine entsprechende Zulassung erhalten.
In demselben Setting, der Erstlinientherapie des metastasierten SCLC in Kombination mit Platin/Etoposid, konnten die beiden PD-L1-Inhibitoren Atezolizumab (Tecentriq®) und Durvalumab (Imfinzi®) in ihren jeweiligen vorläufigen Studienresultaten (IMpower133- bzw. CASPIAN-Studie) einen signifikanten Vorteil bezüglich des Gesamtüberlebens zeigen. Im Falle von Atezolizumab stieg es von median 10,3 auf 12,3 Monate. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse hat Ersteres bereits im vergangenen Jahr auch in Deutschland eine Zulassung in der Erstlinienbehandlung erhalten, für Letzteres wird diese erwartet.
Inwiefern die positiveren Resultate dieser beiden Wirkstoffe im Vergleich zu Pembrolizumab womöglich im unterschiedlichen Wirkmechanismus begründet liegen (PD-L1- vs. PD-1-Inhibitor), ist unklar. Wahrscheinlicher erscheinen da statistische Ursachen – immerhin verbessert Pembrolizumab ja das Gesamtüberleben, wenngleich nicht signifikant – sowie Differenzen im Studiendesign.
Denn während die IMpower133 sowie die CASPIAN nach jeweils vier Zyklen eine Beendigung der Chemotherapie mit anschließlicher Immunerhaltungstherapie vorsahen, führt die KEYNOTE 604 die Therapie kontinuierlich fort – mit in der Folge möglicherweise höherer Toxizität. Endgültige Aussagen zu den jeweiligen Studien und Bewertungen werden jedoch erst möglich sein, wenn die finalen Ergebnisse präsentiert werden.
Das SCLC stellt eine besonders aggressive Form des Lungenkarzinoms dar, es ist für etwa 20 % aller Lungenkarzinome verantwortlich. Während diese Erkrankung auf initiale Behandlungen häufig gut anspricht, sind jedoch die Rezidivraten hoch und die 5-Jahres-Überlebensrate ist mit 6–9 % äußerst gering.
Viele Jahre lang gab es kaum signifikante Verbesserungen in der Behandlung oder den Überlebensraten, bis schließlich für Deutschland 2019 mit Atezolizumab der erste Immun-Checkpoint-Inhibitor in dieser Indikation zugelassen wurde. Die genannten Studien erweitern perspektivisch das Arsenal zur Behandlung dieser Erkrankung, doch es bleibt zu hoffen, dass sich dieser Trend fortsetzt und wir auch beim SCLC endlich größere Fortschritte sehen. Bis dahin bleibt das SCLC leider eine Erkrankung, bei der wir auch im Zeitalter der Immuntherapie nur kleine Fortschritte sehen.
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