23. Januar 2020: Die Zahl an Infektionen mit dem Coronavirus wächst weiter. Wissenschaftler stellen offizielle Angaben infrage. Vertreter der europäischen Infektionsschutzbehörde sprechen über importierte Fälle.
Die Angaben aus China wurden erneut korrigiert. Demnach soll die Zahl an nachgewiesenen Infektionen auf nunmehr 544 gestiegen sein. Gestern war noch von 440 Fällen die Rede. Offizielle Stellen sprechen jetzt auch von 17 Todesfällen – wenige Tage zuvor hieß es noch, es seien sechs Personen verstorben. Solche Angaben lassen sich schwer überprüfen, verdeutlichen aber, bei hoher Dunkelziffer, die rapide Ausbreitung der Coronaviren.
Kritik an den Zahlen kommt aus Großbritannien. Forscher am Imperial College haben dort mit epidemiologischen Daten eine Simulation durchgeführt. Ihr Ergebnis: Wahrscheinlich haben sich beim Ausbruch mehr als 1.000 Menschen infiziert. Anhand dieser Berechnung kalkulieren die Forscher 1.723 momentane Fälle.
Virologen bewerten die Lage als ernst. Gegenüber dem ZDF erklärte Prof. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Berliner Charité, man müsse das Virus „wirklich ernst nehmen.“ Er sei sich nicht sicher, ob man die Epidemie noch aufhalten könne. „Ich teile diese Ansicht bei Betrachtung der veröffentlichten Meldestatistiken und glaube auch anhand der veröffentlichten Genomsequenzen des Virus nicht an eine Quelle, deren Schwerpunkt jetzt noch bei Tieren liegt“, so der Experte.
Er rechne auch damit, dass – wie in den USA geschehen – Infektionen eingeschleppt werden. „Ob sich eine Infektionswelle anbahnt, kann derzeit niemand sagen.“ In Europa wurden bislang keine Fälle gemeldet.
Gestern hat das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) eine aktualisierte Bewertung der Lage veröffentlicht.
Auf der Grundlage aller derzeit verfügbaren Informationen ist das ECDC der Auffassung, dass …
Die größte Bedeutung haben laut Report derzeit alle Maßnahmen, mit denen es gelingen könnte, Infektionen bei Reisenden aus China zu erkennen und rasch zu reagieren.
Zu diesem Thema hat sich gestern auch der Flughafenverband ADV geäußert. „An den deutschen Flughäfen gibt es für den Ernstfall detaillierte Notfallpläne mit klaren Prozessabläufen“, heißt es in der Pressemitteilung. „Die erforderlichen medizinischen Kapazitäten stehen bereit.“
Grundlage für die Weiterentwicklung dieser Notfallpläne seien Erkenntnisse und Vorschriften der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Details nennt der Verband aber nicht.
Während in Deutschland Vorbereitungen für den Ernstfall getroffen werden, reagieren chinesische Behörden bereits jetzt mit drastischen Maßnahmen. Ab heute sind wichtige Verkehrsverbindungen gekappt, es fahren keine Fernzüge mehr von und nach Wuhan.
Ebenso wurde der Betrieb von Bussen und U-Bahnen eingestellt. Es starten auch keine Flugzeuge mehr in der Elf-Millionen-Metropole. Besonders im Hinblick auf das chinesische Neujahrsfest am kommenden Samstag sollen diese Maßnahmen weitere Infektionen verhindern.
Bildquelle: CDC/Dr. Fred Murphy & Sylvia Whitfield