Wie es mit dem Coronavirus weitergeht, weiß keiner. Auffällig ist aber: Die Atemschutzmasken verkaufen sich in unserer Schweizer Apotheke so gut wie zu Zeiten der Schweinegrippe.
In meinem Büro in der Apotheke habe ich einen Ordner. Aktuell steht er ganz weit unten und hinten, denn seit 2009 habe ich den nicht mehr gebraucht. Auf dem Ordner steht „Pandemie“ und er stammt noch aus der Zeit als die Schweinegrippe aufkam und die Behörden angefangen haben, Pläne und Vorgehensweisen zu entwickeln, damit im Fall der Fälle nicht alles zusammenbricht und die Versorgung der Bevölkerung (in unserem Fall mit Medikamenten) möglichst sichergestellt bleibt.
Die Schweinegrippe H1N1 hat sich dann (zum Glück) als nicht so gravierend herausgestellt, wie anhand erster Zahlen angenommen wurde (Siehe auch mein Blogpost damals: „Das Grippchen“). Aber immerhin hat es dazu geführt, dass sich viele Menschen Gedanken gemacht haben, wie man denn in so einem Fall einer Pandemie vorgehen soll, was es für Vorräte braucht, was es für Maßnahmen braucht, an was man vielleicht denken sollte – und das teils in Vorgaben festgehalten haben.
Ich habe den Ordner gestern rausgenommen und mal wieder angesehen. Keine Panik: Es ist noch nicht so weit, dass hier praktisch der „Notstand“ ausgerufen wird wie damals. Und heute ist die Welt vielleicht noch etwas schneller darin, derartig neue Krankheitsfälle zu verfolgen, analysieren und prognostizieren … wobei es meines Wissens immer noch kein globales System zur Erkennung der Entstehung von Pandemien gibt, aber dafür haben wir heute wohl die Presse und das Internet. Trotzdem: Erste Anzeichen bemerke ich jetzt schon in der Apotheke. Bei Atemschutzmasken zum Beispiel steigt die Nachfrage gerade an. Die brauche ich sonst nie – tatsächlich habe ich inzwischen sogar die meisten, die wir bei der Schweinegrippe-Pandemie fürs Personal an Lager halten mussten, entsorgt (auch die haben ein Ablaufdatum), genau wie der Rest des „Pandemie-Personal-Pakets“ mit Paracetamol, Ibuprofen, Nasenspray, Händedesinfektionsmittel und so weiter.
Es ist vielleicht etwas früh für den Ordner und seinen Inhalt, aber ich beobachte (wie viele andere) die Entwicklung des chinesischen „neuen Coronavirus“ – und er scheint (leider) viel „Potential“ zu haben. Junior spielt schon länger auf dem iPhone gelegentlich das Spiel Plague inc., dessen Ziel es ist, als Pathogen die Menschheit zu eliminieren. Der neue Coronavirus hat dafür zu früh angefangen, tödlich zu sein – das erhöht die Gegenmaßnahmen der Staaten und beschleunigt die Entwicklung eines Heilstoffes – aber auf der anderen Seite haben wir den Ausbruch in einer der bevölkerungsreichsten Gegenden der Welt, Übertragung von Tieren (Schlangen, Fledermäusen?) und via Mensch zu Mensch, eine hohe Ansteckungsrate (1 Patient steckte 15 Mitarbeiter eines Spitals an), der Virus ist neu und wir haben keine bis wenig Mittel dagegen (vielleicht hilft das Mittel, das sie gegen SARS haben etwas?) und wir haben aus der betroffenen Region (China) aktuell eine sehr hohe Motilität: Viele Leute besuchen wegen Ferien und dem chinesischen Neujahrsfest (das heute startet) Verwandte in anderen Ländern. Dabei reisen sie mit dem Flugzeug – schnell, viele Leute auf engem Ort, super Ansteckungsmöglichkeiten – sodass es nicht verwundert, dass wir erste Fälle nicht nur in Asien, sondern auch Europa und Amerika haben.
Auf der anderen Seite haben wir die Gegenmaßnahmen, wo China wirklich sehr rasch reagiert hat – man denke daran, dass erste Fälle vielleicht Anfang Dezember 2019 aufgetreten sind und wir jetzt Januar 2020 haben. Man hat nicht nur erkannt, dass da etwas neues ist, sondern die wahrscheinliche Ursprungsregion eruiert (ein Lebensmittelmarkt mit lebenden Tieren), herausgefunden, um was es sich handelt (Coronavirus), wo dieser Virus eventuell sein natürliches Reservoir hat (Schlangen?, Fledermäuse?). Und es wurden Maßnahmen ergriffen, die weitere Ausbreitung einzudämmen, indem die Mobilität der Bevölkerung (teils massiv) eingeschränkt wird. Aus der 11 Millionen-Stadt Wuhan, wo der Virus zuerst auftrat, kommt man wohl aktuell kaum mehr raus und inzwischen werden weitere Städte abgeriegelt. Feste zum chinesischen Neujahr werden gestrichen, um Großansammlungen von Menschen zu verhindern. An Flughäfen im Ausland finden Kontrollen bei der Einreise statt – Fiebermessen hauptsächlich. Erhöhte Körpertemperatur sieht man mit den geeigneten Methoden schon von weitem.
Es ist auch noch unklar, wie schlimm der neue Coronavirus wirklich ist. Er macht eine Lungenetzündung und grippeartige Symptome. Bisher (Stand: 27.01.2020 01:54 Uhr) liegt die Zahl der Infizierten bei 2.800 (das sind die nachgewiesenen Fälle – es dürften noch einige mehr sein). 80 davon sind gestorben. Im Vergleich dazu die Vogelgrippe SARS von 2002: Bei der Sars-Pandemie waren 2002/03 von China ausgehend weltweit rund 8.000 Personen an der Lungeninfektion erkrankt. Knapp 800 starben. Und die normale Grippe: Davon sind jährlich über 10 % – 20 % der Bevölkerung weltweit betroffen und es sterben abertausende an den Komplikationen. Dafür haben wir eine Impfung, die mehr genutzt werden könnte, aber die Influenza gilt im Auge der Öffentlichkeit als relativ „unspektakulär“.
Übrigens: der H1N1 Virus der Schweinegrippe, um den 2009 derselbe Aufruhr herrschte wie heute um den Coronavirus, ist heute Bestandteil der Grippeimpfungen, da er seitdem ebenso regelmäßig auftritt.
Ich warte noch etwas mit dem Ordner. Aber die Masken stocke ich vielleicht trotzdem wieder auf.
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