Wadenkrämpfe sind ein häufiges Thema in der Hausarztpraxis. Als Auslöser kommen viele Ursachen in Frage. Wie behandelt man richtig?
Wenn die Ursache für häufige Wadenkrämpfe unklar ist, gibt es einige Parameter, die der Arzt im Blick behalten muss. Bei häufigen Krämpfen sollte man immer auch die Elektrolyte überprüfen, so Karl Christian Knop, Facharzt für Neurologie. Ist die Wasser- oder Mineralstoff-Homöostase etwa durch starkes Schwitzen oder Durchfälle gestört, könnte eine Hypokaliämie oder -kalzämie vorliegen.
Neben einer Überprüfung der Elektrolyte sollte auch eine Untersuchung der Schilddrüsen- und Nierenwerte sowie der Leber erfolgen. Auch bestimmte Medikamente können Krämpfe auslösen. Die Leitlinie führt hier ursächlich Alkohol in Verbindung mit diesen Mittel auf: Betasympathomimetika, Betablocker mit partiell agonistischer Aktivität, Cholinergika/Acetylcholinesterasehemmer, Kalziumantagonisten, Statine und Clofibrinsäurederivate sowie Diuretika.
„Zunächst sind die typischen prädisponierenden Faktoren zu eruieren und abzustellen. Besonders ist hier die inadäquate Steigerung des Trainings zu nennen. Das heißt: Trainiere ich zu oft, zu schnell, zu lang, zu intensiv“, so Dr. Michael Fritz. Als prädisponierende Faktoren nennt der Sportmediziner – neben Alkohol und Exsikkose – Schlafmangel, Kaffeegenuss und muskuläre Aktivität.
Auch statische Fehlhaltungen können eine Rolle spielen. Dem Arzt stellen sich oft Patienten vor, die neben Krämpfen eine solche Fehlhaltungen der Beinachse zeigen. Senk-Spreiz-Knickfuß, Genu varum oder Genu valgum können zur Überlastung der Ausgleichsmuskulatur in Fuß und Wade führen und so Wadenkrämpfe hervorrufen.
Was bei Wadenkrämpfen im Gegensatz zu Magnesium zuverlässiger wirkt, ist Dehnen. Denn eine Verkürzung des Muskels erleichtert die Auslösung des Krampfs, so die Leitlinien. Wird der betroffene Muskel gedehnt oder der Antagonist angespannt, kann sich der Krampf wieder lösen. Bei einem akuten schmerzhaften Muskelkrampf hilft daher eine sofortige Dehnung. Bei nächtlichen Wadenkrämpfen hat sich regelmäßiges Dehnen vor dem Zubettgehen in Studien auch präventiv bewährt.
Die DocCheck News berichteten bereits über die Ergebnisse einer Studie mit Chinin-Präparaten. Darin wurde Chininsulfat bei nächtlichen Wadenkrämpfen getestet – mit großem Erfolg. Erstautor Prof. Hans-Christoph Diener erklärte: „Anzahl, Dauer und Schmerzintensität der nächtlichen Wadenkrämpfe hatten bei der Mehrzahl der Patienten abgenommen und das Nebenwirkungsprofil war tolerabel. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen traten bei 35/592 Patienten auf, schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen überhaupt nicht. Ich denke, es ist möglich, diese Präparate weniger restriktiv einzusetzen, als es die Leitlinien derzeit vorsehen.“
Die Leitlinien bestätigen zwar, dass Chinin gegen Krämpfe wirksam ist. Wegen der seltenen, aber schweren Nebenwirkungen sollte es jedoch erst in zweiter Linie und nur bei starker Ausprägung eingesetzt werden. Als mögliche Nebenwirkungen von Chinin werden Störungen der Gerinnung und eine immunologisch vermittelte Trombozytopenie genannt.
Der Neurologe Knop machte bisher nur gute Erfahrung mit Chinin gegen Krämpfe: Das Mittel erziele auch bei zeitlich begrenzter Verabreichung im Sinne einer Kur gute Wirkungen. Dass das Medikament nur unter ärztlicher Beobachtung verabreicht werden darf, sei selbstverständlich. Der Arzt müsse bei einer Chinin-Therapie regelmäßig das EKG und das Blutbild kontrollieren. Auch ein Tinnitus könnte sich durch Chinin verstärken. Neben Chinin können auch Antiepileptika zur Therapie von Muskelkrämpfen zum Einsatz kommen. Denn sie blockieren Natrium- und Kalziumkanäle.
Die Mehrzahl der Wadenkrämpfe ist unbedenklich. Dennoch gibt es auch Fälle, die auf Erkrankungen wie Durchblutungsstörungen, Leberzirrhose oder eine amyotrophe Lateralsklerose hindeuten. „Hellhörig sollte man werden, wenn die Krämpfe nicht nur die Waden betreffen“, empfiehlt Knop.
Treten Krämpfe auch am Rumpf oder den oberen Extremitäten auf, sollte der Patient beim Neurologen vorstellig werden. Krämpfe mit einer neurologischen Ursache kommen zudem meist nicht nur in Ruhe vor, sondern werden durch körperliche Aktion ausgelöst. Ein weiteres Alarmzeichen sind Muskelkrämpfe in Verbindung mit Faszikulationen oder Muskelschwäche.
Ob und wann bei Wadenkrämpfen eine Supplementierung mit Magnesium hilfreich sein kann, kannst du im ersten Teil des Artikels nachlesen.
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