28. Januar 2020: In Bayern wird die erste Corona-Infektion bestätigt. Ein Video aus Wuhan erlaubt Einblicke über die chinesische Zensur hinaus. Experten veröffentlichen neueste Erkenntnisse zu den Symptomen.
In Deutschland ist die erste Infektion mit dem Coronavirus 2019-nCoV bestätigt worden. Der Patient stammt aus Starnberg in Bayern. Er wurde umgehend isoliert und behandelt, er sei stabil, sein Zustand gut.
Laut Focus habe sich der 33-Jährige in Bayern bei einer Schulung infiziert, die von einer Frau aus China geleitet worden sei. Er ging weiter zur Arbeit, mögliche weitere Folgen sind derzeit (28.01., 10:30 Uhr) nicht bekannt. Personen, die engeren Kontakt mit dem Betroffenen hatten, wurden über zu erwartende Symptome aufgeklärt und zu weiteren Maßnahmen in Bezug auf Hygiene informiert.
„Mit einem Import von einzelnen Fällen nach Deutschland muss aber gerechnet werden“, schreibt das Robert-Koch-Institut (RKI). Auch einzelne Übertragungen innerhalb Deutschlands seien möglich. „Die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland durch die neue Atemwegserkrankung aus China bleibt derzeit weiterhin gering.“ Das könne sich aber kurzfristig ändern.
Problematisch bei der Einschätzung der Lage ist auch das Vorgehen der Kommunistischen Partei in China. Denn durch die strenge Zensur und die stark gefilterte Berichterstattung ist das tatsächliche Ausmaß der aktuellen Infektionswelle unbekannt. Eindrücklich zeigt das jetzt ein Video eines jungen Chinesen. Darin wendet sich der etwa 25-Jährige an das Ausland: „Wenn man ins Krankenhaus will, um sich auf das Virus testen zu lassen: Keine Chance, Chaos. Man muss stundenlang anstehen, bis man dran kommt.“ In dem Video beschreibt der junge Mann aus Wuhan auch, wie schwierig es sei, Informationen zur Situation im Internet zu finden oder selbst zu posten.
Aber schon die offiziellen Informationen aus China geben Anlass zur Sorge. Derzeit soll es 4.474 nachgewiesene Infektionen und 107 Todesopfer geben (Stand: 12:00 Uhr).
Das Center For Systems Science and Engineering (CSSE) an der Johns Hopkins University, Baltimore, stellt hier regelmäßig aktualisierte Zahlen zur Verfügung.
Auch Prognosen sind in diesem Zusammenhang wichtig. Auf Pre-Print-Servern wie BioRxiv und MedRxiv, auf denen Forscher Publikationen ohne fachliche Begutachtung hochladen, gibt es Modell-Berechnungen zum weiteren Verlauf:
Zentrale Größe ist die Basisreproduktionszahl R0. Sie gibt an, wie viele andere Personen ohne Immunität eine infektiöse Person im Mittel ansteckt.
„Eine R0 zwischen drei und fünf wäre in der Tat die Größenordnung von SARS (die damals mit rund vier eingeschätzt worden war)“, erklärt Prof. Clemens Wendtner gegenüber dem Science Media Center. Er ist Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin am Klinikum München-Schwabing. Wendtner: „Das heißt, dass es in China und Südostasien bei derzeit anhaltender Transmission zu vielen weiteren Infektionen kommen wird. Selbst die Quarantäne von vielen Millionen Menschen würde die weitere Ausbreitung vermutlich nur begrenzt abschwächen.“
Die Sterblichkeitsrate (Case Fatality Rate) sei nach jetzigem Wissensstand für 2019-nCoV unter einem Prozent, also deutlich unter der von SARS und MERS (bis 13 Prozent) – falls die chinesischen Angaben korrekt sind. „Allerdings wissen wir auch, dass es durchaus noch einen Shift hin zu ‚Super-Spreadern‘ mit höherer ‚Case Fatality Rate‘ und daher verlängerten Infektionsketten geben kann. Dann müssten wir alle die vorsichtig optimistische, beziehungsweise zumindest für Europa eher entwarnende Einschätzung ändern und anpassen.”
Behörden sind dennoch alarmiert. Die USA will heute Regierungsangestellte aus dem besonders betroffenen Wuhan per Flugzeug evakuieren. Ähnliche Strategien verfolgt auch die deutsche Bundesregierung: Eine mögliche Evakuierung von Deutschen werde in Betracht gezogen, sagte Außenminister Heiko Maas. Der Krisenstab sei zusammengekommen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Fragen zur Unterbringung – respektive zur Quarantäne – wurden aber noch nicht beantwortet.
Laut Tagesschau.de plane die Bundesregierung bereits seit dem Wochenende, deutsche Chinareisende aus Wuhan ausfliegen zu lassen. Die Bundeswehr solle dafür ein oder zwei Jets der Luftwaffe sowie einen Truppentranspoter A310 und einen sogenannten MedEvac, einen Airbus mit medizinischen Behandlungsplätzen, zur Verfügung stellen. China bestehe unterdessen darauf, dass die etwa 90 Deutschen, die sich derzeit in Wuhan aufhalten, mit zivilen Maschinen ausgeflogen werden. Da zurzeit keiner der Reisenden infiziert sein soll, sei die Durchführung der Aktion aber ohnehin unklar.
Zu den Symptomen gibt es jetzt neue Informationen. In The Lancet hat Prof. Chaolin Huang vom Jin Yin-tan Hospital, Wuhan, jetzt klinische Daten zu 41 Patienten veröffentlicht. Sie zeigen, welche Symptome häufig auftreten. Die meisten der infizierten Patienten waren Männer (73 %), 32 % hatten Grunderkrankungen, darunter Diabetes (20 %), Hypertonie (15 %) oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen (15 %).
Häufige Symptome bei Krankheitsbeginn waren Fieber (98 %), Husten (76 %), Myalgie oder Müdigkeit (44 %). Seltener traten eine gesteigerte Sputumproduktion (28 %), Kopfschmerzen (8 %) oder Durchfall (3 %) auf. Eine Dyspnoe entwickelte sich bei 55 %, und 63 % hatten eine Lymphopenie. Alle 41 Patienten hatten eine Lungenentzündung mit abnormalen Befunden im Brust-CT.
Zu den Komplikationen gehörte in erster Linie das akute Atemnotsyndrom (ARDS; 29 %).13 (32 %) Patienten wurden auf eine Intensivstation eingewiesen, und sechs (15 %) starben.
In der Zwischenzeit arbeiten chinesische Krankenhäuser mit einer experimentellen Therapie. Sie geben Patienten Aluvia® (Lopinavir/Ritonavir) von AbbVie ein. Das Präparat ist aus der HIV-Therapie bekannt. Es wird angenommen, dass Aluvia® eine potenzielle Behandlung für das Coronavirus ist, da es eine Protease blockieren kann, welche das Virus zur Replikation im menschlichen Körper benötigt. Interferon-beta kommt ergänzend mit hinzu.
Des einen Leid, des anderen Freud: An der Börse in Schanghai verzeichnen Aktien pharmazeutischer Hersteller und Gesundheitsdienstleister deutliche Gewinne. Coronaviren sind eben auch ein Booster für Firmen.
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Bildquelle: Nicholas Kwok, Unsplash
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