Gute Noten, gute Nerven oder gutes Geld: Zum heiß ersehnten Studienplatz führen viele Wege. Wer am verhassten NC scheitert, kann seine Chancen über den TMS verbessern, gegen Unis klagen oder im Ausland sein Glück wagen. Ganz wichtig: das nötige Budget.
Abiturnote 2,0 – aus der Traum vom Human- oder Zahnmedizin-Studienplatz? Oder mindestens zwölf Semester Wartezeit totschlagen? Das muss nicht sein, denn er ist zurück: Der TMS (Test für medizinische Studiengänge) erfreut sich seit Wiedereinführung zum Wintersemester 2007/2008 zunehmender Beliebtheit. Momentan setzen 20 medizinische und 14 zahnmedizinische Fakultäten im Auswahlverfahren der Hochschulen (AdH) neben weiteren Kriterien auf TMS-Resultate.
Zum Hintergrund: Der TMS wurde als spezifischer Studierfähigkeitstest konzipiert; er soll das Verständnis für naturwissenschaftliche und medizinische Problemstellungen erfassen. Befürworter argumentieren, Schulnoten reichen nicht aus, um den akademischen Erfolg zu prognostizieren. Kein Problem unserer Tage: Nach Abbruchquoten von bis zu 50 Prozent führten US-amerikanische und kanadische Hochschulen in den 1930er- und 1940er-Jahren den Medical College Admission Test (MCAT) ein – mit Erfolg. Nur noch sieben Prozent aller angehenden Ärzte warfen das Handtuch. Zur Methodik selbst: Bernhard Hell, Hohenheim, berichtet, dass Auswahlgespräche wenig praktischen Nutzen haben [Paywall]. Celia A Brown und Richard J. Lilford, Birmingham, sehen die beste Korrelation zwischen kognitiven Tests und späteren Erfolgen im Studium [Paywall]. Gleichzeitig unterscheiden sich Abiturnoten und TMS-Resultate deutlich voneinander [Paywall] – was für den Test spricht. Die Gewichtung legt jede Universität individuell fest.
Bleibt als Kritik: Wer beim Medizinertest gut abschneidet, würde auch mit Erfolg durch das BWL-, Physik- oder Jura-Studium kommen und erfolgreich forschen. Ob Studierende mit guten TMS-Resultaten tatsächlich bessere Ärzte werden, lässt sich empirisch nicht sagen. Lilford fand beispielsweise kein geeignetes Verfahren, um Eigenschaften wie Empathie zu berücksichtigen. Auch am Thema Vorbereitung scheiden sich die Geister. Daten kommen in diesem Fall aus der Schweiz. Eidgenossen unterziehen sich dem Eignungstest für das Medizinstudium (EMS). Beim EMS gilt – wie auch beim TMS – das „Testing-the-Limits-Paradigma“: Probanden erreichen mit zunehmender Übung eher ihre individuelle Leistungsasymptote, und Startvorteile nivellieren sich. „Vorbereitung (Training) ist notwendig“, schreibt das Zentrum für Testentwicklung und Diagnostik (ZTD) als Ausrichter. Älteren Studien zufolge liegen Erfolgsmaxima bei 22 bis 24 sowie bei 40 bis 46 Stunden. Tatsächlich versuchen diesseits und jenseits der Alpen viele Firmen, gutes Geld mit Studierenden in spe zu verdienen. Grund genug für ZTD-Experten, klarzustellen: „Man kann durch selbständige Vorbereitung ebenso erfolgreich sein wie durch Besuch professioneller Kurse. Man kann solche Kurse besuchen (niemand hat wirklich etwas dagegen), muss es aber nicht.“ Oft handele es sich um „Geschäfte mit der Angst“.
Wer beim Auswahlverfahren der Hochschulen trotz TMS scheitert, kann über eine Studienplatzklage nachdenken. Kanzleien bieten offensiv entsprechende Dienste an. Ihre Strategie: Artikel 12 des Grundgesetzes zur freien Berufsausübung. Hochschulen haben zwar das Recht, Zulassungsbeschränkungen einzuführen. Sie müssen jedoch alle vorhandenen Studienplätze belegen. Genau hier setzen findige Juristen an. Sie prüfen, ob eine Fakultät im Rahmen ihrer Kapazitäten tatsächlich mehr Studierende aufnehmen könnte. Die Berechnung tatsächlicher Ressourcen ist schwierig. Selbst bei Erfolg vor dem Kadi winkt nicht immer der heiß ersehnte Studienplatz. Klagen mehrere Interessenten, wird gelost. Ein Gewinner steht aber fest: die Kanzlei. Anfragen von DocCheck bei mehreren Rechtsanwälten haben ergeben, dass Bewerber mit bis zu 1.000 Euro pro Verfahren rechnen sollten. Wer parallel gegen mehrere Unis klagt, erhöht seine Erfolgsaussichten – und ist schnell bei 10.000 bis 15.000 Euro angelangt. Unis rüsten zeitgleich ihre Rechtsabteilungen massiv auf.
Stehen die Chancen in deutschen Landen schlecht und will man nicht dem Losverfahren vertrauen, bleibt noch ein Auslandsstudium. Österreich hat angesichts deutscher NC-Flüchtlinge bereits Quoten eingeführt. 75 Prozent aller Plätze gehen an Bewerber mit Maturazeugnis, zwanzig Prozent an EU-Ausländer und weitere fünf Prozent an Studenten aus Drittstaaten. Die Europäische Union akzeptiert derartige Einschränkungen zähneknirschend. Bis 2016 müssen Gesundheitspolitiker der Alpenrepublik belegen, dass ohne restriktive Einschränkungen tatsächlich Versorgungsengpässe drohen. Bleiben noch Hochschulen osteuropäischer Länder als Alternative. Teilweise gibt es Tests, teilweise entscheiden Büros nur anhand von Zeugnissen über eine Zulassung. Im letzten Wintersemester standen die Chancen gut, mit einer Abiturnote zwischen 2,3 und 2,4 noch aufgenommen zu werden. Pro Jahr fallen Studiengebühren zwischen 5.000 und 15.000 Euro an. Hinzu kommen einmalig mehrere tausend Euro für „Bildungsmakler“. Dafür bieten medizinische Fakultäten Vorlesungen und Praktika in englischer Sprache an. Als Quereinsteiger versuchen viele Mediziner in spe, zurück nach Deutschland zu wechseln.
Auch bei uns gibt es mittlerweile Alternativen: In Nürnberg bietet die Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg (PMU) einen Medizin-Diplomstudiengang an – ohne deutschen NC, dem EU-Recht sei Dank. Interessierte müssen sich einem mehrstufigen Auswahlverfahren inklusive schriftlichen Tests und Interview unterziehen. Die weitaus größere Hürde sind Gebühren von jährlich 14.200 Euro. Am Ende winkt mit dem „Dr. med. univ.“ eine Berufszulassung. Red-Bull-Magnat Dietrich Mateschitz tritt bereits seit Jahren als Förderer der PMU in Erscheinung. Angehende Mediziner können sich angesichts dieser Entwicklung mit einem Zitat von Woody Allen trösten: „Geld ist besser als Armut – wenn auch nur aus finanziellen Gründen.“