Der PSA-Test zur Prostatakrebs-Früherkennung ist umstritten. Jetzt sorgt ein Bericht des IQWiG erneut für Schlagzeilen. Was ich von dem Screening halte.
„Wann lassen wir die Männer in Ruhe“, schreibt die FAZ, „PSA-Test laut aktuellem Urteil wertlos“, titelt die Süddeutsche Zeitung und die Westdeutsche Zeitung warnt mit „Vorsicht Männer: Der PSA-Test birgt Gefahren“ ihre Leser. Mit dem vorläufigen Bericht zum Einsatz des PSA-Test als Screening-Methode hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, kurz IQWiG, für einige Schlagzeilen gesorgt.
Der Auftrag, dem PSA auf den Zahn zu fühlen, kam dabei vom Gemeinsamen Bundesausschuss. Es geht um die Einführung eines flächendeckenden PSA-Screening und somit auch um die Kostenübernahme durch die Krankenkassen. Der PSA-Test wird in der Früherkennung des häufigsten Tumors bei Männern in Deutschland, dem Prostatakarzinom, eingesetzt.
Aus den Schlagzeilen wird deutlich, dass das Urteil des IQWiG über den Test, dessen Kosten von den Krankenkassen im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung nicht übernommen wird, keinesfalls besonders gut ausgefallen ist. Kernpunkte der Kritik des Vorberichtes sind unter anderem:
In einem Positionspapier hebt die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) den Vorteil des PSA-Screenings in Bezug auf das prostatakarzinomspezifische Überleben hervor. Das IQWiG leugnet diesen Vorteil zwar keinesfalls, aber der Satz „das PSA-Screening schadet mehr als das es nützt“ im Schlussfazit vermittelt einen anderen Eindruck.
Laut DGU „besteht die Gefahr, dass Männer Früherkennungsuntersuchungen vermeiden und in der Konsequenz langjährige Belastungen durch Metastasen, lokale Symptome und Behandlungsfolgen durch Chemotherapien erleiden. Auch die Mortalität könnte dann zukünftig stark zunehmen“.
Missverständlich wird zudem laut DGU vom falsch-positiven PSA-Befund gesprochen. Denn nicht der PSA-Wert diagnostiziert einen malignen Befund, sondern eine Prostatabiopsie. Und bis zur Probenentnahme gibt es weitere wichtige Parameter, wie beispielsweise das multiparametrische MRT der Prostata, PSA-Anstiegsgeschwindigkeiten und -Quotienten. Diese stehen dem Urologen und dem Patienten zur kritischen Beurteilung des reinen PSA-Wertes zur Verfügung und werden im IQWiG-Bericht vernachlässigt.
Übertrieben wird allerdings laut DGU das traumatische Erlebnis in Folge eines erhöhten PSA-Wertes sowie der teilweise resultierenden psychischen Auswirkungen. Es bleibt spannend wie der endgültige Bericht des IQWiG ausfallen wird.
Natürlich ist eine kritische und unabhängige Begutachtung von Screening-Methoden der richtige Weg. Aktuell sorgt der Fall PSA allerdings für zunehmende Verunsicherung bei den wichtigsten Protagonisten – den Patienten.
Richtig ist auch das Zitat, welches die DGU aus der aktuellen Leitlinie in ihrem Positionierungspapier anbringt: „Diejenigen Männer, die von sich aus nach einer Früherkennung fragen, sollen ergebnisoffen über die Vor- und Nachteile aufgeklärt werden. Dabei sollen der mögliche Nutzen wie auch die Risiken (Überdiagnose und Übertherapie) in natürlichen Zahlen und auch grafisch dargestellt werden.“
Allerdings ist fraglich, in wie vielen urologischen Praxen auf diese Weise über den PSA-Wert samt den möglichen Folgen aufgeklärt wird. Sicher ist auch, dass die Prostatabiopsie „nicht angenehm, aber auch nicht dramatisch“ ist, wie ein Betroffener in einem Leserbrief in Bezug auf den Artikel aus der Süddeutschen-Zeitung schreibt.
In Bezug auf die kritisierte Übertherapie wird auf Urologenseite gerne mit der zur Verfügung stehenden Active Surveillance, sowie den weiteren Alternativen zur Radikal-Operation als Therapieoptionen beim Prostatakrebs geworben. In der Realität, also der Praxis und im Klinik-Alltag, schrumpfen dann allerdings oft die zur Verfügung stehenden Optionen – und nicht immer sind Ausschlusskriterien der Grund für den Griff zum Skalpell oder DaVinci-Joystick.
Nicht zu vernachlässigen ist die psychische Belastung der Active Surveillance aufgrund des damit verbundenen Wissen, mit einem bösartigen Tumor zu leben. Weiterhin gehören zu dieser Therapieoption regelmäßige Prostatabiopsien. Beides Gründe, warum Patienten von der Option Abstand nehmen. In meiner aktuellen Tätigkeit in einer ambulanten Rehaklinik sehe ich täglich die Folgen einer radikalen Prostataoperation und teilweise Fälle von Übertherapie. Auf der anderen Seite gibt es eine Tendenz zur Zunahme von fortgeschrittenen Tumoren und deren Folgen.
Ich glaube, wir Urologen wünschen uns nichts mehr, als einen richtigen Tumormarker, welcher der PSA-Wert nun mal nicht ist. Bis dahin müssen wir so gut wie möglich mit dem PSA-Wert umgehen und die weiteren, zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, diesen sinnvoll zu interpretieren und gemeinsam mit dem Patienten zu diskutieren.
Vielleicht sollten die Krankenkassen nicht den PSA-Wert übernehmen, sondern eine Viertelstunde Zeit in der Praxis bezahlen, um den wenig greifbaren Blutwert und dessen Folgen dem Patienten näher zu bringen.
Ich persönlich halte den PSA-Wert in den richtigen Händen für ein sinnvolles Werkzeug in der Urologie.
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