Deutschlands Ärzte werden älter und viele setzen sich demnächst zur Ruhe. Zu wenige rücken nach. Das Problem: Zwei Drittel der Studienplätze werden von Frauen belegt und viele von ihnen gehen unterwegs verloren.
Die Forderung nach einer Frauenquote in Aufsichtsräten, Führungsetagen oder Regierungen lässt sich bundesweit kaum überhören. Anders in der Medizin: Hier schreitet die „Femininisierung“ weiter fort. Und das stellt Deutschland vor große Herausforderungen.
Die Medizin war – und ist – zumindest anfangs weiblich, berichtet das Statistische Bundesamt. Seit Jahren drücken mehr angehende Ärztinnen als Ärzte die Hochschulbank. Zuletzt waren es 52.565 versus 31.025 Studierende. Dafür gibt es eine simple Erklärung: 70 Prozent aller Abiturientinnen haben eine bessere Note als Abiturienten. Und jetzt kommen wir zum eigentlichen Problem an der Sache: Später wendet sich nämlich das Blatt. Schaut man sich die Zahlen praktizierender Mediziner an, scheint sich der Anteil von mehr als 60 Prozent Frauen im Studium in Luft aufgelöst zu haben.
Offizielle Statistiken der Bundesärztekammer (BÄK), Stand Ende 2018.
In einzelnen Fachdisziplinen zeigen sich eklatante Unterschiede:
Die Frage ist also: Wo sind die Frauen geblieben? Mögliche Antworten lieferte ein Vortrag, den ich letztes Jahr beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie gehört habe. „Wir sehen beim Studium selbst und beim Studienabschluss mehr Frauen“, bestätigte Prof. Dr. Ricarda Diem von der Abteilung Neurologie am Universitätsklinikum Heidelberg. „Auch bei der Promotion und bei der Karrierestufe Ärztin oder Arzt ohne Weiterbildung ist das Verhältnis annähernd gleich.“
Doch dann passiert etwas Interessantes: Die Schere gehe ab Ärztin oder Arzt mit Weiterbildung auseinander. Laut Diem gibt es rund 30 % Oberärztinnen, 20 % habilitierte Ärztinnen, 12 % leitende Oberärztinnen und 10 % Chefärztinnen. Das ist gar nicht mal so viel. „Zur Facharztprüfung, also ungefähr Anfang bis Mitte 30, tickt die biologische Uhr immer lauter“, sagte sie bei ihrem Vortrag. Deshalb sehe man auch mehr Ärztinnen als Ärzte ohne Facharzt-Bezeichnung.
Frauen gehen als Ärztinnen der medizinischen Versorgung zumindest zeitenweise „verloren“, und das in einer Zeit mit klaffenden Versorgungslücken. Praktizierende Ärzte werden schließlich immer älter. Auch das zeigen die offizielle BÄK-Zahlen. Aus der Ärzteschwemme der 1980er-Jahre ist längst Trockenheit geworden. Viele Frauen gehen der Versorgung auch komplett verloren. Sie wandern in die Industrie, die Forschung beziehungsweise die Verwaltung ab. Oder sie setzen während der Familienpause ganz aus, um dann wieder in Teilzeit zu arbeiten.
Dass wir etwas tun müssen, steht außer Frage. Nur welche Maßnahme ist sinnvoll? „Wenn wir nicht mehr Männer an den Hochschulen zulassen, fürchte ich zukünftig existenzielle Versorgungsprobleme“, sagt Prof. Dr. Claudia Schmidtke im Spiegel. Sie ist Fachärztin für Herzchirurgie und Bundestagsabgeordnete der CDU. Schmidtke sieht nicht nur im klinischen Bereich Versorgungsengpässen. „Als weiteres Problem kommt hinzu, dass mache Frauen davor zurückschrecken, eine eigene Praxis zu führen – etwa, wenn sie bereits Verantwortung für eine Familie tragen.“
Schmidtkes Forderung könnte zwar in die richtige Richtung zielen. Aber machen wir bei diesem Problem einmal den 360-Grad-Blick. Wäre hier nicht vielleicht ein radikaleres Maßnahmenpaket nötig, um wirklich etwas zu verändern? Folgendermaßen könnte es aussehen.
Bildquelle: Matheus Ferrero, unsplash