Morgens, halb zehn in Deutschland. Eine übliche Sprechstunde an einem üblichen Tag. Gemurmel, Telefonklingeln, das Rattern des Druckers, Schniefen, Hundebellen. Ähm – Hundebellen?
Eine Frau steht an der Anmeldung und trägt einen Handtaschen-Hund im Arm. Sie hat einen Termin und wollte Prinzessin nicht alleine zuhause lassen.
„Ihr Hund kann leider nicht mit in die Praxis kommen“, sagt die Kollegin an der Anmeldung freundlich. Die Dame mit Hund findet das übertrieben und reagiert nicht so freundlich. „Ich lasse sie auf dem Arm und niemand fasst sie an“, antwortet sie gereizt.
Hm. Wie geht man damit um? Es gibt kein Gesetz, das den Aufenthalt von Hunden in Arztpraxen verbietet. Der Praxisinhaber kann entscheiden, ob jemand einen Hund mitbringen darf oder nicht. Wenn Schäden auftreten, sei es in der Praxis oder an anderen Patienten, muss der Hundehalter nach § 833 Satz1 BGB haften.
Von hygienischer Seite halte ich es für bedenklich, denn Hunde haaren und sabbern und haben manchmal auch Erkrankungen oder Parasiten. Wobei so mancher Patient wahrscheinlich ungewaschener und ungepflegter ist, als viele Hunde von verantwortungsbewussten Hundehaltern.
Ich denke da an lange Zehennägel, die wie Chipsletten aussehen. An lange künstliche Fingernägel, unter denen die Reste des Abendessens vom Vortag hängen. Und an Kopfbehaarung, die als Lagerungsstätte für Margarine herhalten könnte. Es gibt Untersuchungen, die im Bart von Vollbartträgern mehr Keime fanden, als in Hundefell. Frohes Küssen, wünsch ich da.
Aber gerade, wenn man einen geplanten Termin hat, kann man doch den Hund bei Bekannten oder Freunden unterbringen – wenn man ihn wirklich aus diversen Gründen nicht zuhause lassen will, was aber bei einem Hund meines Wissens durchaus möglich ist. Als Praxisinhaber könnte man auch einen wind- und wettergeschützten Außenbereich anbieten, um den Hund dort anzuleinen. Je nach Lage und Möglichkeiten.
Denn man muss trotz allem auch irgendwo eine Grenze ziehen: Wenn Prinzessin dabei sein darf, möchte die Katzenfrau (jedes Dorf hat eine Katzenfrau) vielleicht ihre Liebslingskatze mitbringen und Leon-Pascal sein Meerschweinchen.
Anders verhält es sich mit Blindenhunden. Sie sind auch aus Sicht der KVen in einer Praxis vertretbar, weil sie ausgebildete Führhunde sind. Im Vorfeld ist es natürlich wichtig, zu eruieren, ob das Tier die gängigen Impfungen hat und frei von Parasiten ist. Ein Führhund darf auch das Sprechzimmer betreten, nicht allerdings die Reinräume. Und er sollte nicht von Patienten und Personal gestreichelt werden.
Prinzessin ist eindeutig kein Führhund. Im Gegenteil: Man muss viel mehr aufpassen, dass man nicht auf sie tritt, wenn sie ihr Handtaschen-Habitat verlassen hat. Sie ist ein kläffender Armhund und muss leider draußen bleiben, denn das Bellen stört in einer Praxis den Ablauf (es ist ja schon ohne Hund laut genug). Außerdem nervt es im Wartezimmer andere Patienten, auch wenn der Hund nicht durch die Praxis läuft und seine Prinzessinnenhaare verteilt.
Dieser Tag steht offenbar unter dem Motto Haustiere, denn als nächstes ist eine Patientin da, die ich schon lange kenne und die wirklich nur im Notfall ohne Termin erscheint. Und ich sehe gleich, wieso: Sie hält sich den Arm, um dessen Hand ein Küchenhandtuch gewickelt ist. Ein wenig schimmert das Blut durch, aber es scheint nicht zu fließen. Oder es hat bereits aufgehört.
Ich bitte sie in das Sprechzimmer und die Patientin wickelt das Handtuch von der Hand. An der Beugeseite des Handgelenks, sprich innen, sehe ich eine eher kleine Wunde, wie ein kleines Loch, und einige Kratzer am Handrücken und dem Unterarm. Es sieht harmlos aus, aber mir schwant Übles.
„Wie ist das denn passiert?“, frage ich meine Patientin und sie antwortet, was ich befürchtet habe: „Die Katze hat mich gebissen. Eigentlich ist sie immer lieb.“ Mist. Das kleine Loch am Handgelenk und die Kratzspuren waren recht eindeutig.
„Ich habe es schon sauber gemacht, aber ich dachte, sie können vielleicht noch richtig verbinden und dann gehe ich zur Arbeit.“
Sie schaut mich fröhlich an. Ich schaue nicht fröhlich zurück.
„Das mit der Arbeit wird heute leider nichts mehr. Ich verbinde die Wunde jetzt sauber und Sie stellen sich damit bitte in der nächsten chirurgischen Ambulanz vor.“
Sie ist ehrlich überrascht. „Aber die Wunde ist doch ganz klein?“
„Aber sie ist von einer Katze.“ Ich erkläre: Tierbisse sind meistens nicht ganz ungefährlich, weil sie viele Keime aus dem Mundraum übertragen können. Und Katzenbisse sind besonders gefürchtet, weil ihre Zähne richtige Kanäle in die Haut beißen, in denen die Bakterien in tiefe Gewebeschichten transportiert werden. Und dort am Handgelenk sind viele Sehnenfächer. Wenn sich dort einmal eine eitrige Entzündung festgesetzt hat, dann wird es gefährlich.
Ein Katzenbiss kann unter Umständen eine Sepsis, den Verlust der Extremität durch eine schwere lokale Infektion oder durch die Sepsis an sich, oder eine Endokarditis bedeuten. Ein Katzenbiss ist als Notfall einzustufen.
Der Dame gefällt die Situation nicht, das sehe ich ihr an und ich verstehe es. Wer will schon wegen eines kleinen Bisses in die Klinik? Aber ich rede inständig auf sie ein, wie wichtig es ist und schließlich beugt sie sich ihrem Schicksal, ruft ihren Mann an und lässt sich von ihm umgehend in die Notaufnahme fahren.
Drei Tage später sehe ich sie wieder. Der gesamte Unterarm ist in einen dicken Gips gepackt und sie hält ihn in einer Armschlinge. Sie war stationär aufgenommen worden, der Arm mit Hilfe des Gipses ruhigstellt und sie intravenös mit Antibiotika versorgt worden.
„Ich dachte echt, Sie übertreiben“, gesteht sie mir. Verständlich. Viele Menschen gehen mit Lappalien in die Notaufnahme, aber ein Katzenbiss ist keine Lappalie und sollte als Notfall behandelt werden. Es muss nun kein Rettungswagen sein – es sei denn, die Hand ist nicht mehr da, wo sie hingehört oder es blutet stark – aber eine unmittelbare Vorstellung bei einem Chirurgen ist essentiell.
Für viele Menschen sind Haustiere fester Bestandteil ihres Lebens und daraus nicht wegzudenken. Hunde und Katzen spielen eine große Rolle im Alltagsgefüge und haben auch auf die Arbeit von Hausärzten einen nicht unerheblichen Einfluss.
Ein Hund gehört für viele Menschen als Familienmitglied dazu. Andere wieder haben eine oder mehrere Katzen. Und dann gibt es ja noch das ganze Kleingetier: Meerschweinchen, Kaninchen, Mäuse, Reptilien oder Fische. Und hier auf dem Land haben wir dazu noch viele Bauernhöfe und Pferdeställe.
Tiere haben positive Auswirkungen auf das Seelenleben der Menschen und manche Menschen haben lieber Tiere um sich, als andere Menschen. Wenn Kinder mit Tieren aufwachsen, scheinen sie weniger Allergien zu haben und stärken ihre sozial-emotionalen Fähigkeiten. Auch Erwachsene empfinden Tiere als stressreduzierend und ganz pragmatisch gesehen, sind Hunde ein prima Grund, sich mehr zu bewegen. Man kann sie nicht einfach abstellen und seine Ruhe haben, auf der Couch gammeln und nichts tun.
Aber Tiere können eben auch mal Krankheiten verursachen, nicht nur nach einem Biss. Und diese Zooanthroponosen sind schwierig, denn alles kann, nichts muss: Manche Tierbesitzer werden ständig gekratzt und gebissen und es passiert nichts. Anderen leckt der Hund einmal über das Gesicht und der Mensch stirbt an einer Sepsis. So geschehen in Bremen, im August 2018. Es gab auch in den USA den Fall eines Rentners, der nach einem Hundekuss an einer Sepsis verstarb. Er war multimorbide und sein Immunsystem war geschwächt.
Ich rate ganz grundsätzlich davon ab, sich von seinen Hunden küssen zu lassen, auch wenn vielen Hundebesitzern dabei das Herz aufgeht. Hunde und Katzen haben nicht unser menschliches Hygieneverständnis. „Ich schnuffel mal nicht an dem anderen Hundepopo, auch wenn ich so gerne möchte, aber dann darf ich mein Herrchen nicht mehr ablecken!“ Das ist so in keinem Hundegehirn verankert. Eher: „Oh, Mjam: Hundepopo. Oh, Herrchen: Juhu. Leck.“
Hunde können Spul- und Hakenwürmer, Campylobacter, Salmonellen oder Tollwut übertragen. Viele dieser Erkrankungen spielen, unter anderem aufgrund von Impf- und Hygienevorschriften, in Deutschland keine so große Rolle, wie global gesehen. An Tollwut beispielsweise sterben jährlich 60.000 Menschen, insbesondere in Indien und China.
Außerdem werden regelmäßig multiresistente Erreger wie MRSA und ESBL im Maul von Tieren nachgewiesen, vor allem Hunde und Pferde sind Überträger. Dass im öffentlichen Raum Hundekot nicht richtig entsorgt wird (z. B. auf Spielplätzen oder in Parks) macht die Übertragung einfach, weil Hunde an ihm schnüffeln und ihn auch gelegentlich fressen.
Die Toxoplasmose ist eine parasitäre Erkrankung, die von Katzen übertragen wird und vor allem in der Schwangerschaft und bei Abwehrschwäche schwere Folgen haben kann.
Salmonellen finden sich auch bei Reptilien, z. B. bei Schildkröten. Diese Tiere sind daher in einem Haushalt mit Kleinkindern nicht empfohlen.
Rötelmäuse übertragen das Hantavirus, das bis zum Nierenversagen führen kann. Übertragen wird das Virus durch aufgewirbelten Staub (beispielsweise beim Kehren einer Scheune), der den Kot und den Urin der Nager enthält.
Die Borna-Krankheit ist vor allem bei Schafen und Pferden bekannt und einzelne Fälle wurden wohl von der Feldspitzmaus übertragen. Das Bornavirus verursacht eine Entzündung des Gehirns und der Hirnhäute, die eine hohe Sterblichkeit hat.
Zecken können FSME und Borreliose übertragen, Flöhe haben die Pest verbreitet. Und sogar Fische im Aquarium können Krankheiten verursachen, nämlich nicht-tuberkulöse Hautinfektionen wie Granulome durch Mykobakterien.
Tiere können viele Krankheiten übertragen, oft passiert nichts. Es gilt wie so oft: Wachsam bleiben. Ein Hund gehört nicht in die Praxis (Blindenhunde ausgenommen), ein Katzenbiss dagegen in die Notaufnahme, ein Hundekuss nicht ins Gesicht und Mäuse nicht ins Haus.
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