6. Februar 2020: Die 2019-nCoV-Epidemie breitet sich vor allem in China weiter aus. Erstmals gibt es Hinweise, dass Mütter Babys bei der Geburt infizieren können. Forscher finden mehr und mehr Ähnlichkeiten mit SARS.
Die Fallzahlen steigen weiter rapide an – ein Ende der Coronavirus-Erkrankungswelle ist nicht absehbar. Derzeit sind 28.300 Menschen infiziert, und 565 sind gestorben (Stand 6. Februar, 09:45 Uhr). „Der Höhepunkt ist noch nicht erreicht. In China nicht, was die Infektionszahlen und die Entwicklung angeht – und damit auch für die Welt und für Deutschland nicht“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gestern vor einer Kaserne im pfälzischen Germersheim. Sie dient als Quarantäne-Station für Heimkehrer aus Wuhan.
Erstmals nennen chinesische Gesundheitsbehörden Details zu den Todesopfern. 80 Prozent waren mindestens 60 Jahre alt, und 75 Prozent litten an Vorerkrankungen – meist Herzleiden, Typ-2-Diabetes, aber auch Krebs. Als Mortalitätsrate haben Behörden 2,1 Prozent errechnet. Zum Vergleich: Bei der SARS-Epidemie vor 17 Jahren starben 9,6 Prozent.
Außerhalb Chinas hält sich das Krankheitsgeschehen mit rund 200 Fällen in Grenzen – noch. „Es [2019-nCoV] ist sehr, sehr übertragbar, und es wird mit ziemlicher Sicherheit eine Pandemie werden“, sagte Dr. Anthony S. Fauci, Direktor des National Institute of Allergy and Infectious Disease, der New York Times. Neue Publikationen bestätigen dies.
China News Service berichtet aus dem Krankenhaus von Wuhan über zwei Fälle vertikaler Übertragungen des Virus, also von der infizierten Mutter auf ihr Kind. In einem Fall sei dies 30 Stunden nach der Geburt geschehen. Zuvor seien Kinder von infizierten Müttern zur Welt gebracht worden, bei denen man keine Erreger nachweisen konnte.
Jetzt raten chinesische Ärzte Schwangeren zur besonderen Wachsamkeit. Weitere Informationen zur Morbidität oder Mortalität bei Neugeborenen gibt es noch nicht. Es sieht aktuell sogar eher so aus, dass Kinder weniger empfänglich für das Virus sind.
Umso wichtiger ist, Prozesse auf molekularer Ebene zu verstehen. Zwei kürzlich in Nature veröffentlichte Arbeiten (Zhou P. et al., Wu F. et al.) berichten über neue Erkenntnisse auf Basis der Genomsequenz.
Wie erwartet, hat 2019-nCoV starke Ähnlichkeiten mit Coronaviren aus Fledermäusen. Die Übereinstimmung liegt bei 89,1 bis 96,2 Prozent. Solche Fledermaus-Viren sind für Menschen nicht infektiös. Doch das neuartige Coronavirus hat im Erbgut den Code für ein Spike-Protein an Bord. Nur so kann es an menschlichen Wirtszellen binden. Es nutzt dabei die gleiche Eintrittspforte wie SARS, nämlich das Protein ACE2 auf Epithelzellen der Atemwege.
Woher diese zusätzliche Information im Erbgut stammt, bleibt unklar. Jedenfalls lässt sich ein Reassortment ausschließen. Dabei würden sich verschiedene Viren in der gleichen Zelle vermehren und genetische Informationen austauschen.
Momentan helfen Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung Ärzten kaum. Umso wichtiger ist eine Publikation zur Diagnostik per Bildgebung. Radiologen veröffentlichten Berichte über 21 Patienten im Alter zwischen 29 und 77 Jahren. Sie wurden vom 18. bis 27. Januar 2020 in drei chinesischen Krankenhäusern aufgenommen und per Thorax-CT-Bildgebung untersucht. PCR-Labortests bestätigten später Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus.
Die Befunde im CT ähnelten SARS und MERS. Es kam zu sogenannten Milchglastrübungen (12 Patienten) und Konsolidierungen (6 Patienten). Oft waren mehr als zwei Lungenlappen (21 Fälle) und beide Lungenflügel (16 Fälle) betroffen. In drei Fällen fanden Ärzte keine Auffälligkeiten. Deshalb schließe ein normaler CT-Befund Infektionen mit 2019-nCoV nicht aus, schreiben die Autoren.
Haben Ärzte die Erkrankung labordiagnostisch bestätigt, bleibt ihnen nur, Patienten zu isolieren und je nach vorherrschender Symptomatik zu behandeln. Gerüchte über eine angeblich wirksame Therapie dementierte die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Zuvor hatte ein chinesischer Sender über vermeintliche Erfolge der Forschung berichtet. Etliche Arbeitsgruppen widmen sich der Fragestellung.
In dem Zusammenhang setzen Forscher große Hoffnungen auf Impfstoffe. Ein Thema, an dem unter anderem CureVac aus Tübingen arbeitet. Zusammen mit der Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI), einer öffentlich-privaten Initiative zur Impfstoff-Entwicklung, sollen Vakzine gegen nCoV-2019 entstehen. Das forschende Unternehmen arbeitet mit einer mRNA-Technologie, also mit einer „Impfung über Gene“. Im Inneren von Zellen entstehen aus mRNA immunologisch aktive Proteine. Das Verfahren ist noch vergleichsweise jung, gilt aber als schnellerer Weg hin zu Vakzinen, verglichen mit der traditionellen Strategie über virale Proteine.
Ob ein Impfstoff – unabhängig vom Herstellungsverfahren – noch rechtzeitig kommt, darf bezweifelt werden. Bis zur Anwendung brauche es noch Monate, so Prof. Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, gegenüber der Tagesschau. Das liege auch an den vorgeschriebenen Wirksamkeitsstudien. Erste klinische Tests erwartet Cichutek im Laufe des Jahres.
In Indien hat das dortige Gesundheitsministerium Ayush in einer Pressemitteilung die wenig hilfreiche Empfehlung gegeben, Coronainfektionen mit Homöopathie vorzubeugen.
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