Manchmal ist die Lust größer als die Vernunft. Dann wird einfach auf ein Kondom verzichtet. Allerdings heißt es dann: Auf zum Arzt und sich testen lassen.
Ein junger Mann kommt in meine Sprechstunde und erzählt: „Meine Freundin hatte Chlamydien. Ich muss mich jetzt auch testen lassen, sagte ihre Frauenärztin!“
Stimmt. Und da normalerweise Frauen zu ihrem Frauenarzt gehen, bekommen wir als Hausärzte nicht so häufig Patienten mit Verdacht auf eine STDs, aber es kommt immer wieder mal vor.
Über Geschlechtskrankheiten schreibe ich heute, weil ich das quasi aus der Hüfte schießen kann. Beginnen wir die Aufklärungsstunde.
Die Schattenseiten von Sex
Wenn man über Geschlechtskrankheiten sinniert, denkt man sofort und unmittelbar an HIV. Seitdem die Erkrankung 1983 das erste Mal beschrieben wurde, ist sie immer weiter ins öffentliche Licht geraten und zum Glück heutzutage den meisten Menschen ein Begriff. Aufklärungskampagnen haben den Safer Sex und Kondome bekannt gemacht, jedoch ist der Wille, sich vor dieser Erkrankung zu schützen, wieder rückläufig, seitdem die Krankheit durch moderne Medikamente ein wenig ihren Schrecken verloren hat.
Dabei schützen Kondome natürlich auch vor anderen unangenehmen Geschichten, die eigentlich kein Mensch haben möchte. Manche dieser Erkrankungen sind unangenehm und blöd, aber gut zu behandeln. Andere sind durch zunehmende Resistenzen ein gigantisches Problem. Eines haben sie alle gemeinsam: Eine Geschlechtskrankheit ist ein Stigma. Niemand möchte darüber reden.
Wer sich eine eingefangen hat, ist eventuell in der ziemlich doofen Situation, mit dem Partner oder mit den Verflossenen über einen Ausrutscher oder über eine wilde/unvorsichtige/unangenehme Vergangenheit zu reden.
Die Patienten fühlen sich häufig schmutzig. Schuldig. Dabei – und das möchte ich an dieser Stelle gerne laut sagen – kann so etwas passieren. Manchmal verhält man sich nicht schlau. Manchmal verhält man sich sogar sehr dumm. Manchmal kann man nichts dafür und manchmal war die Geilheit größer als die Vernunft. Bringen wir es auf den Punkt. Aber: Dann heißt es, die Vernunft wieder einzuschalten und sich testen zu lassen.
Gynäkologen bieten hierfür oft an, mehrere Erkrankungen gleichzeitig zu testen. Denn wer beispielsweise eine Gonorrhö hat, kann sich auch leichter mit HIV anstecken. Und wer eine Krankheit im Frühstadium entdeckt, kann sich besser und erfolgreicher behandeln lassen.
Die Chlamydien sind eine der häufigsten Geschlechtskrankheiten. Und von ihnen hat fast jeder schon einmal gehört. Das „Gute“ an Chlamydien ist: Sie sind mit Antibiotika gut behandelbar. Man muss den Partner mit behandeln, denn sonst kommt es zum sogenannten Ping-Pong-Effekt und man steckt sich immer wieder gegenseitig an.
Die Chlamydien sind kleine, intrazelluläre Bakterien, die sich bei Frauen in einer Scheidenentzündung, einer Entzündung der Harnwege oder auch der Eileiter zeigen. Und manchmal nicht. Denn manchmal machen sie keine besonderen Symptome.
Bei Männern verursachen Chlamydien eine Harnröhrenentzündung, die in vielen Fällen auch nicht wahrgenommen wird. Auch mein junger Patient hat keine Symptome, aber – Spoiler – sich Chlamydien eingefangen.
Zusätzlich können Chlamydien auch im Analbereich oder im Rachen auftreten, je nachdem, welche sexuelle Praktik vorgenommen wurde, denn sie werden auch bei Oralverkehr oder durch Schmierinfektionen übertragen. Kondome schützen nicht zu 100 Prozent, aber senken das Risiko einer Übertragung erheblich.
Das Fatale an Chlamydien ist, dass sie sich ausbreiten können und beispielsweise Prostata- oder Nebenhodenentzündungen beim Mann und Eileiterentzündungen bei der Frau hervorrufen können. Die Folge können verklebte Eileiter und Unfruchtbarkeit sein. Neugeborene können sich über den Geburtskanal mit Chlamydien infizieren und Bindehautentzündungen entwickeln, weswegen manche Kliniken eine antibiotische Prophylaxe in Form von Augentropfen verabreichen.
Wegen all dieser negativen Folgen der Infektion können sich Frauen bis zum vollendeten 25. Lebensjahr einmal jährlich auf Chlamydien testen lassen.
Trichomonaden sind kleine Parasiten, die bei Frauen Juckreiz, Brennen und schaumigen, übelriechenden Ausfluss hervorrufen. Aber manchmal eben auch nicht. Nicht umsonst werden Geschlechtskrankheiten häufig übertragen, denn wer würde schon gerne Sex haben, wenn da unten alles brennt oder der Eiter fließt.
Bei Männern ist eine Infektion häufig symptomlos. Behandeln sollte man auch hier wieder beide Partner durch die Einnahme von speziellen Antibiotika. Kondome schützen auch hier weitestgehend vor einer Infektion, aber nicht vollständig.
Gonorrhö/Tripper: Immer resistenter
Die Gonorrhö wird durch Bakterien verursacht, die sich Neisserien nennen. Die Erkrankung ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, denn sie kann sich ausbreiten und ausgeprägte Unterleibsinfektionen, Gelenkentzündungen und Sepsis auslösen.
Berühmt ist beim Mann der sogenannte „Bonjour-Tropfen“ – morgendlicher Eiter aus der Harnröhre beim ersten Wasserlassen, weil die Bakterien nachts in Ruhe ihr Unwesen treiben konnten. Die Gonorrhö tritt dort auf, wo die Eintrittspforte für die Erreger war: Rachen, Anus, Vagina, Gebärmutterhals, Penis. Wie Chlamydien auch, können die Erreger bei vaginalen Geburten in die Bindehäute der Neugeborenen gelangen. Bis 1992 erhielten sie daher eine Prophylaxe in Form von Silbernitrattropfen. Inzwischen ist dies kein Standard mehr.
Die Behandlung der Gonorrhoe erfolgt je nachdem, wie weit fortgeschritten die Erkrankung ist, mit einer kurzen Antibiotikagabe in Form von Tabletten oder intravenös. Problematisch sind zunehmende Resistenzen der Bakterien und damit eine schlechtere Behandelbarkeit.
Syphilis/Lues: Ein fieses Miststück
Die Syphilis hier in Kürze darzustellen ist ein Ding der Unmöglichkeit. Ich mache es kurz und schreibe: Die Syphilis ist ein echtes Miststück und das wollt ihr nicht haben. Die Krankheit wird durch ein spiralförmiges Bakterium ausgelöst, tritt in drei aufeinanderfolgenden Stadien auf und kann im Laufe der Zeit (Jahre) nahezu jedes Organ betreffen. Im ersten Stadium zeigt sich an der Eintrittspforte, also an Vulva, Gebärmutterhals, Penis, Lippen, im Mund, im Rachen oder am Anus, eine Hautläsion, die sich „harter Schanker“ nennt und nicht weh tut. Sie sieht ein wenig aus wie ein harter Krater. Und weil es nicht schmerzt, sehr schambesetzt ist und irgendwann wieder weg geht, gehen Menschen deswegen nicht zum Arzt.
Die Syphilis es ist glücklicherweise nicht so häufig vertreten („und das ist auch gut so“) und lässt sich je nach Stadium mehr oder weniger gut behandeln. Normalerweise mit Penicillin, aber auch hier werden Resistenzen häufiger.
Es gibt noch einige andere STDs, aber das würde den Rahmen dieses Blogbeitrags sprengen. Ulcus molle, HPV, Warzen, Herpes, es gibt Vieles, das man nicht haben will und über das ich gerne an anderer Stelle sprechen werde. Über HIV werde ich einen separaten Artikel schreiben.
Ich sagte es bereits ein- bis fünfmal: Geschlechtskrankheiten können durch die Verwendung von Kondomen in den meisten Fällen vermieden werden. Jedoch nicht zu 100 Prozent, denn Schmierinfektionen, kaputte Kondome durch Anwendungs- oder Materialfehler oder ein Abrutschen der Kondome können zur Übertragung von Krankheiten führen. Auch das gemeinsame Benutzen von Spielzeug und Petting (Dr. Sommer lässt grüßen) kann manche Infektionen übertragen.
Wer sich Sorgen macht, sich mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt zu haben, sollte mit einem Arzt seines Vertrauens reden. Es gibt beim Frauenarzt die Möglichkeit, sich durch eine Urinprobe, einen Abstrich oder eine Blutentnahme auf mehrere Erkrankungen gleichzeitig testen zu lassen. Zum Beispiel die Häufigsten: Chlamydien, Mykoplasmen, Trichomonaden und Tripper. Ich nenne es gerne das „Kleine Geschlechtskrankheiten-Paket“.
Zur Abgrenzung möchte ich noch kurz auf zwei unangenehme Erkrankung eingehen, die keine Geschlechtskrankheit sind, aber oft eine Behandlung des Partners mit erfordern: die vaginale Pilzerkrankung und die bakterielle Vaginose.
Eine vaginale Pilzerkrankung kommt bei Frauen häufig nach Antibiotikaeinnahme oder auch einfach mal so vor. Sie äußert sich meist durch einen bestialischen Juckreiz, Rötung und einen weißen, bröckeligen Ausfluss. Man kann einen Pilz wunderbar mit Zäpfchen und Salben behandeln.
Eine bakterielle Vaginose ist eine Fehlbesiedlung der Vagina mit einem Bakterium, das sich Gardnerella vaginalis schimpft. Meist tut es nicht weh und juckt nicht, aber es kommt zu reichlich Ausfluss, der fischig und unangenehm riecht. Zur Behandlung kommen Vaginaltabletten zum Einsatz, oft muss man danach die Scheidenflora wieder mit Hilfe von Zäpfchen aufbauen.
Und: leider haben manche Frauen immer wieder damit zu kämpfen. Es helfen vorbeugend Zäpfchen oder Scheidentabletten mit Milchsäurebakterien und wenig aggressive Intimpflege.
In den USA gibt es für viele STDs das Konzept der Umgebungsbehandlung, die „Expedited Partner Therapy“ (EPT). Betroffenen Patienten wird ein Rezept über ein Antibiotikum für den Partner mitgegeben. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Erkrankung erfolgreich behandelt wird und vermeidet den Ping-Pong-Effekt. In Deutschland gibt es das nicht. Ich halte es für eine exzellente Sache, trotz zunehmender Resistenzen. Denn wenn die Partner die Seuche schnell wieder losgeworden sind, benötigt man am Ende weniger Medikamente, als wenn man wieder und wieder behandeln muss.
Und noch eine exzellente Sache gibt es zu berichten: Es gibt seit nicht allzu langer Zeit den sogenannten S.A.M-Heimtest, mit dem man sich zu Hause auf Chlamydien, Syphilis, Tripper und HIV testen kann. Der Test wird dann in ein Labor eingeschickt und lässt eine frühe Diagnose und Behandlung zu.
Und ich als Aufklärungstante versuche, das Thema mehr an die Öffentlichkeit zu bringen. Ohne Stigma, ohne Scham. Und wer etwas an sich entdeckt, das da nicht hingehört: Bitte mit dem Arzt des Vertrauens sprechen.
Bildquelle: Yuliya Kosolapova, unsplash