11. Februar 2020: Neue Studien legen nahe, dass 2019-nCoV kontagiöser als das SARS-Virus ist. Das wirft Fragen zur Quarantänezeit auf. Sorge bereiten auch Lieferengpässe und die Diskriminierung von Asiaten.
Langsam flacht die Zahl der Neuinfektionen ab – die Johns Hopkins University Baltimore meldet über 43.100 bestätigte Fälle, 1.018 Todesfälle und über 4.100 rekonvaleszente Personen (Stand: 11.02.2020, 10:45 Uhr). Doch für eine Entwarnung ist es noch zu früh. Und jede Veröffentlichung wirft neue Fragen auf.
Günter Kampf von der Universitätsmedizin Greifswald wertete 22 Studien zum SARS-Coronavirus, zum MERS-Coronavirus sowie zu humanen Coronaviren (HCoV) aus. Wie er berichtet, seien die Erreger auf Glas oder Kunststoff für bis zu 9 Tage lang aktiv.
Sie können jedoch mit 62–71 prozentigem Ethanol, 0,5 prozentigem Wasserstoffperoxid oder 0,1 prozentigem Natriumhypochlorit innerhalb von einer Minute wirksam inaktiviert werden. Andere biozide Mittel wie 0,05–0,2 prozentiges Benzalkoniumchlorid oder 0,02 prozentiges Chlorhexidindigluconat seien weniger wirksam. Ähnliche Ergebnisse erzielten bereits Bochumer Forscher (DocCheck berichtete). Ob sich die Ergebnisse auf 2019-nCoV übertragen lassen, ist allerdings unklar.
Eine Arbeitsgruppe am Max-Planck-Institut hat jetzt außerdem entdeckt, dass das Stressprotein FKBP51 die zelluläre Autophagie steuert. Das Protein kann mit bereits existierenden Medikamenten reguliert werden – und ist unter anderem auch für den Abbau eingedrungener Coronaviren verantwortlich. Die entsprechenden Wirkstoffe könnten also eventuell auch gegen 2019-nCoV erfolgreich eingesetzt werden.
Gestern schlug ein Artikel aus dem Online-Magazin China Daily hohe Wellen. Zhong Nanshan, Leiter der nationalen Expertenkommission, berichtet darin von über 1.099 Patienten aus 552 chinesischen Krankenhäusern. Als mittlere Inkubationszeit nennt er 5,2 Tage. Allerdings berichtet sein Kollege Guan Weijie, dass die Inkukationszeit „in sehr seltenen Fällen“ bei 24 Tagen liege und dass die Quarantäne in Verdachtsfällen deshalb zu verlängern sei.
„Eine häufige Fehlerquelle bei scheinbar sehr langen Inkubationszeiten ist eine unbemerkte zwischenzeitliche Exposition“, kommentiert Prof. Christian Drosten von der Berliner Charité gegenüber dem Fokus. Nur unter sehr kontrollierten Bedingungen lasse sich ausschließen, dass Betroffene dem Erreger mehrfach hintereinander ausgesetzt worden wären. Einen Grund zur Änderung von Richtlinien oder Einschätzungen sehe er daher zunächst nicht.
Nach wie vor unklar ist, warum Kinder keine auffälligen Symptome bei Infektion mit 2019-nCoV zeigen. Zwar ist inzwischen belegt, dass sie sich anstecken können – laut chinesischer Behörden seien sogar zwei Neugeborene unter den Infizierten – doch nur wenige Kinder wirken so krank, dass eine Coronainfektion bei ihnen diagnostiziert werde. Das berichten Forscher in einer aktuellen JAMA-Studie.
Ein großes Problem bleibt, dass viele Patienten anfangs nur recht unspezifische Symptome zeigen. Das berichten Ärzte des Zhongnan Hospitals der Wuhan University anhand einer Kohorte mit 138 Patienten. Darunter waren auch 40 Mitarbeiter des Krankenhauses selbst. Von ihnen infizierten sich 10 an einem einzigen Patienten, der wegen Bauchschmerzen fälschlicherweise in der Chirurgie gelandet war. Er steckte mindestens vier weitere Menschen an.
Damit gebe es auch beim neuartigen Coronavirus sogenannte Superspreader, also Personen, die besonders stark zur Ausbreitung der Krankheit beitragen. Das ist ein Phänomen, das man von SARS oder MERS bereits kennt. Die Mortalität (4,3 Prozent) bleibt aber weit hinter SARS (zirka 11 Prozent) und MERS (zirka 33 Prozent) zurück.
Da jetzt auch die Bewegungsfreiheit in der Provinz Zhejiang stark eingeschränkt wurde, drohe eine Verschärfung bereits bestehender Lieferengpässe, warnten Experten bereits vergangene Woche (DocCheck berichtete). Denn in dieser Region seien viele Pharmahersteller angesiedelt.
Ein weiterer besorgniserregender Trend manifestiert sich jetzt in einer niederländischen Petition. Diese trägt den Titel „Wir sind keine Viren“, über 25.000 Niederländer chinesischer Herkunft haben bisher unterzeichnet. Damit gehen sie gegen Diskriminierung vor, über die in den vergangenen Wochen schon viele weitere Betroffene unter dem Hashtag #iamnotavirus berichtet hatten.
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