Im Auftrag von Wissenschaftlern hat eine Agentur offenbar hunderte Studien gefälscht. Die DocCheck News haben mit einem der Aufdecker gesprochen.
Wer in der Welt der Wissenschaft aufsteigen will, muss viel publizieren. In China scheint sich dafür eine fragwürdige Praxis etabliert zu haben. Hier können Forscher Agenturen damit beauftragen, Studien mitsamt Daten, Graphiken und Bildern zu erstellen – ganz ohne echte Forschung im Labor. Das berichten die Autoren des Blogs For Better Science.
„Ich wäre nicht überrascht, wenn solche Agenturen bereits [in Europa und den USA] existieren und große Kundschaft haben“, kommentiert Leonid Schneider auf Nachfrage der DocCheck News. Er ist Biologe und einer der Blogger von For Better Science. „In deutschen Uni-Kliniken werden Mediziner grundsätzlich nach Anzahl der Publikationen befördert, die Paper selbst liest niemand. Warum sollen die denn nicht auf Papiermühlen zugreifen?“
Schneider und die anderen Blogger haben offenbar mehr als 300 verdächtige Paper identifiziert, die von einer einzigen Agentur in China stammen. Veröffentlicht wurden diese Paper in Fachverlagen wie Springer Nature, Elsevier oder Wiley.
Angesichts der Blamage sind die Erklärungen des Fachverlags Wiley eher dürftig: Wiley erklärt, dass die Prüfverfahren verbessert werden sollen. Gleichzeitig weist der Fachverlag aber auch daraufhin, dass es unter 20.000 Studien nur bei etwa 2 Prozent zu Problemen kam. „Nur“ zwei Prozent? Wen soll das beruhigen?
Ein User zeigt in seinem Tweet die manipulierten Bilder einer Studie:
Problematisch ist nicht nur der Betrug an sich, sondern auch, dass gefälschte Studien anderen Forschern als Grundlage für die eigene Arbeit dienen. Zwar wüssten gute Wissenschaftler, welche Paper lesenswert sind und welche nicht, kommentiert Schneider. Doch „für die Wissenschaft als solche sind gefälschte Daten in hochrangigen und respektierten Journals ein großes Problem.“
Die Blogger wurden nach eigenen Angaben auf die Agentur aufmerksam, weil die Bilder in den Studien stets auf eine ähnliche Weise verfälscht wurden. Außerdem waren unter den Kontaktdaten zu den Studien hauptsächlich Google-E-Mail-Adressen mit bizarren Pseudonymen hinterlegt. Google Mail lässt sich von China aus dank der Great Firewall aber gar nicht nutzen.
Theoretisch wäre der Aufruf von Google zwar über VPN möglich, doch wegen strafrechtlicher Verfolgung wagen es wohl nur wenige, vermuten die Autoren. Einer der Blogger hat auf einer chinesischen Website sogar explizite Werbung für eine Agentur gefunden, die medizinische Studien-Manuskripte zum Verkauf anbietet.
Das Problem könne man nur folgendermaßen lösen: „Man soll Forscher und Ärzte auf keinen Fall nach mathematischer Anzahl der Publikationen bewerten oder nach dem Impact-Factor eines Journals. Und auf gar keinen Fall soll man Leute mit Geld dafür belohnen.“ Die San Francisco Declaration on Research Assessment (DORA) biete laut Schneider gute Ansätze: Sie will die Praxis unterbinden, den Impact-Faktor mit den Verdiensten der Beiträge eines Wissenschaftlers in Zusammenhang zu bringen. Das führe bloß zu Verzerrungen und Ungenauigkeiten bei der Beurteilung wissenschaftlicher Forschung. Wie viele Studien tatsächlich gefälscht werden, weiß niemand. Leonid Schneider ist überzeugt: „Das Problem ist viel größer. Vorallem in China.“
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Bildquelle: Alex Iby / Unsplash