Seit einigen Jahren wird spekuliert, dass Ambroxol die Parkinson-Krankheit aufhalten könnte. Jetzt verbesserten sich in einer klinischen Studie tatsächlich die Symptome. Was ist davon zu halten?
Ambroxol ist eigentlich als Hustenlöser bekannt. Der Wirkstoff soll aber auch einen relevanten pathogenetischen Signalweg bei Parkinson modifizieren. Am Institut für Neurologie des University College in London hat man Parkinson-Patienten mit mittelschwerer Erkrankung über ein halbes Jahr hinweg mit nach und nach steigenden Dosen Ambroxol behandelt, bis sie schließlich 1,26 g pro Tag einnahmen.
In der neuen Studie wurde die Verträglichkeit gezeigt und nachgewiesen, dass Ambroxol im Liquor der Patienten auftaucht, also die Blut-Hirn-Schranke passiert. Erfreulich war auch, dass sich die klinischen Symptome verbessert hatten: Auf der MDS-UPDRS-Skala (Movement Disorder Society Unified Parkinson Disease Rating Scale) zeigte sich eine Verbesserung um durchschnittlich 6,8 Punkte (SD 7,1; 95 % Konfidenzintervall -10,4 bis -3,1; P = 0,001) und nach Ende der Ambroxol-Behandlung eine Verschlechterung um 7,6 (SD 7,0) Punkte zwischen Tag 186 und 279.
In Zellen von Parkinson-Patienten, die Mutationen des Gens für Glucocerebrosidase (GBA1) tragen, erhöht Ambroxolhydrochlorid die Glucocerebrosidase-Aktivität und reduziert oxidativen Stress. Das wurde 2014 erstmals beschrieben.
Strukturformel von Ambroxol
Solche Mutationen sind in homozygoter Konstellation die Ursache des Morbus Gaucher, einer lysosomalen Speicherkrankheit, und in heterozygoter Konstellation ein wichtiger Risikofaktor für Parkinson – sie finden sich bis zu zehnmal häufiger bei Patienten als bei Gesunden. Auch bei Parkinson-Patienten ohne GBA1-Mutationen wurden im Gehirn niedrigere Enzymaktivitäten gefunden.
Die feststellbare Anhäufung von α-Synuclein im Zytoplasma bei Parkinson hängt mit dem Glucocerebrosidase-Mangel zusammen. Das hat die Idee geweckt, dass Ambroxol den Krankheitsverlauf beeinflussen könnte. In Laborversuchen und Tiermodellen mit Fruchtfliegen und Mäusen ist man zu dem Schluss gekommen, dass Ambroxol als pharmakologisches Chaperon fungiert und für die korrekte Faltung der Glucocerebrosidase sorgt.
Das funktioniert so: Ambroxol erleichtert den Austritt des Enzyms aus dem endoplasmatischen Retikulum, indem es pH-abhängig an dessen aktives Zentrum bindet. Dieses wird inhibiert, wodurch es zu einer Konformationsänderung kommt, die den Transport zum Lysosom erleichtert. Dort angekommen, wird das Enzym im sauren Milieu des Lysosoms aktiv, was die normale lysosomale Funktion wiederherstellt, so dass mehr α-Synuclein abgebaut werden kann. In Studien an Nagetieren und Primaten wurde gezeigt, dass Ambroxol im Gehirn die Enzymaktivität der Glucocerebrosidase erhöht.
In Medien werden solche Studienergebnisse gern aufgegriffen, was sich unter Patienten zuweilen lauffeuerartig verbreitet und große Hoffnungen schürt. Aber sollten Parkinson-Patienten es mit Ambroxol versuchen?
In der nun publizierten klinischen Studie konnten Liquorproben von 17 Teilnehmern ausgewertet werden, in denen der Ambroxolgehalt zwischen Studienbeginn und Tag 186 von 0 auf durchschnittlich 156 ng/ml angestiegen war, was etwa 11 Prozent der Konzentration im Blut entsprach.
Die Enzymkonzentration der Glucocerebrosidase im Liquor war im selben Zeitraum um 35 Prozent gestiegen, während die Aktivität um 19 Prozent abgenommen hatte – laut Studienprotokoll hätte man eine Stimulation erwartet. Die Hemmung erklären die Autoren damit, dass Ambroxol im Liquor an freie Glucocerebrosidase außerhalb der Zellen bindet und diese hemmt. Die Menge an α-Synuclein im Liquor hatte um 13 Prozent zugenommen.
Prof. Dr. Günther Höglinger, Direktor der Klinik für Neurologie an der Medizinischen Hochschule Hannover und Präsident der Deutschen Parkinson Gesellschaft, hinterfragt die Ergebnisse: „Im Blut zeigte sich eine unveränderte Aktivität der Glucocerebrosidase. Warum soll es dann im Gehirn zu einer Stimulation kommen? Vom α-Synuclein würde man intuitiv hoffen, dass sich weniger davon findet, weil es in den Lysosomen der Zellen abgebaut wird. Im Nervenwasser wurde aber sogar mehr α-Synuclein gemessen. Und zu guter Letzt würde man annehmen, dass Glucosylceramid, das Substrat der Glucocerebrosidase, bei gesteigerter Aktivität des Enzyms im Gehirn im Liquor abnimmt. Das hat auch nicht geklappt. Die Studie lässt sehr viele Fragen offen.“
Die klinischen Symptome der Patienten hatten sich unter der Einnahme von Ambroxol verbessert. Großes Manko: Es war eine offene, unkontrollierte Phase-II Studie unter 18 Patienten, d. h. es gab keine Placebo-Kontrolle, was die Interpretation der Veränderungen des MDS-UPDRS schwierig bis unmöglich macht. Zudem hatten sieben von 18 Patienten ihre dopaminerge Therapie im Verlauf der Studie erhöht, und die Veränderungen des MDS-UPDRS waren bei ihnen ähnlich wie bei den Patienten mit stabiler Therapie. Höglinger meint dazu: „Es scheint den Patienten besser gegangen zu sein, wobei wir aber mit einem deutlichen Placebo-Effekt durch die Teilnahme an der Studie und die intensive Betreuung rechnen müssen.“
Auch wenn Ambroxol laut Studie ins Gehirn gelangte und gut vertragen wurde, muss man so lange davon ausgehen, dass es sich nicht um einen Medikamenteneffekt handelt, bis das Gegenteil durch eine Placebo-kontrollierte Studie gezeigt wurde. Höglinger lassen besonders die im Liquor angestiegenen α-Synuclein-Spiegel daran zweifeln, ob Ambroxol wirklich einen Nutzen für die Patienten hat: „Es war eine Studie zur Sicherheit und Hirngängigkeit, man kann daraus keinen klinischen Vorteil für die Patienten ableiten und muss Patienten, die möglicherweise nach Ambroxol fragen, davon abraten, bis die klinische Wirksamkeit in einer Phase-III-Studie zweifelsfrei nachgewiesen wurde.“
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