Neue Einsatzmöglichkeiten für Botox: Kardiologen ist es gelungen, das Risiko eines Vorhofflimmerns nach Bypass-OPs deutlich zu verringern. Nach einer Applikation direkt in das epikardiale Fettgewebe zeigten sich protektive Effekte über Monate hinweg.
Ein Molekül sorgt seit Jahren für Furore: Ärzte setzen das Botulinumtoxin jenseits der ästhetischen Medizin bei vielen Krankheitsbildern ein. Dazu gehören unter anderem neuromuskuläre Störungen (Blepharospasmus, oromandibuläre Dystonie), orthopädische (Epicondylitis lateralis humeri) oder dermatologische Anwendungen (Hyperhidrose). Jetzt haben Kardiologen das Toxin ebenfalls für ihre Zwecke entdeckt.
Zum Hintergrund: Nach thoraxchirurgischen Eingriffen, etwa Bypass-Operationen oder Lungenresektionen, kann es postoperativ zu gefährlichem Vorhofflimmern kommen. Um dies zu verhindern, hat Evgeny Pokushalov aus dem russischen Novosibirsk einen ungewöhnlichen Ansatz verfolgt. Er rekrutierte 60 Patienten, bei denen aortokoronare Bypass-OPs anstanden – bei gleichzeitig hohem Risiko eines Vorhofflimmerns. Pokushalov ordnete alle Studienteilnehmer randomisiert zwei Gruppen zu. Sie erhielten im OP direkt nach dem Eingriff Botox oder Kochsalzlösung per Spritze in das epikardiale Fettgewebe. Komplikationen traten weder unter Placebo noch unter Verum auf.
Innerhalb der ersten 30 Tage kam es nur bei zwei von 30 Patienten (sieben Prozent) der Botox-Gruppe zu Vorhofflimmern. Unter Placebo traten entsprechende Probleme bei neun von 30 Patienten der Kontrollgruppe (30 Prozent) auf. Der Unterschied ist statistisch signifikant. Bei seinen Nachbeobachtungen fand Pokushalov weitere Überraschungen. Der Effekt von Botox klingt scheinbar nicht – wie erwartet – rasch ab. Vielmehr kam es in der Verum-Gruppe ab Tag 30 bis zum Studienende nach zwölf Monaten zu keinem weiteren Fall von Vorhofflimmern. In der Kochsalz-Gruppe trat diese Komplikation bei sieben Teilnehmern auf (27 Prozent).
Pokushalovs Daten erregen Aufsehen. Für die American Heart Association (AHA) ist es dennoch zu früh, eine generelle Empfehlung auszusprechen. Weitere Studien mit größeren Teilnehmerzahlen seien erforderlich, um den klinischen Nutzen zu evaluieren, heißt es in einer Stellungnahme.