Aktuell gibt es zur Analyse des Mikrobioms diverse Anbieter für Stuhlanalysen, durch welche Erkrankungen und Unverträglichkeiten aufgedeckt werden sollen. „Teuer und sinnlos“, urteilt die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in einer Pressemitteilung.1 Hier lesen Sie die Hintergründe.
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Der Nachweis von Darmbakterien im Stuhl kann bei der Identifizierung bestimmter pathogener Erreger ein wertvolles diagnostisches Tool darstellen – zum Beispiel bei Verdacht auf eine Clostridium-difficile-Infektion. In letzter Zeit bieten viele Labore jedoch eine Analyse des vermeintlich gesamten Spektrums der Mikroorganismen im Darm an, um Aussagen über eventuelle Dysbiosen und die zugrunde liegenden Erkrankungen zu treffen. Dies sei weitgehend sinnlos, erklärt Professor Dr. med. Stefan Schreiber, Direktor der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, in einer Pressemitteilung der DGVS.1 Die Zusammensetzung des Mikrobioms und eventuelle Krankheitssymptome müssten nicht zwingend etwas miteinander zu tun haben. „Die Mikrobiom-Forschung steht noch relativ am Anfang“, fügt Schreiber hinzu. „Welche Korrelationen bestehen und wie sie sich im Einzelfall auswirken, ist derzeit noch nicht ausreichend bekannt. Darüber hinaus liefert die Analytik auch noch keine konsistenten Ergebnisse, die zwischen verschiedenen Laboren vergleichbar wären.“
Zwar ist bekannt, dass bestimmte Erkrankungen wie das Reizdarmsyndrom häufig mit einer verschobenen Zusammensetzung des intestinalen Mikrobioms assoziiert sind2; jedoch ist es oft schwierig, an dieser Stelle tatsächlich einen eindeutigen Biomarker nachzuweisen. Der Anspruch, aus einer methodisch oberflächlichen Analyse des Mikrobioms diagnostische Schlüsse zu ziehen, bleibt bislang hinter den Hoffnungen und Erwartungen zurück.3
Zunächst einmal erweisen sich die taxonomischen Veränderungen, die in verschiedenen Studien in Bezug auf eine bestimmte Erkrankung identifiziert wurden, oft nicht oder nur teilweise als konsistent. Das liegt einerseits an unterschiedlichen technologischen Ansätzen und unkontrollierten Probenentnahmen, andererseits an den vielen Faktoren, die Einfluss auf das Mikrobiom nehmen: etwa die Ernährung, der Lebensstil, eingenommene Medikamente und die individuelle Kolontransitzeit.3,4 Dazu kommt, dass es kein fest definiertes Spektrum eines „gesunden Mikrobioms“ gibt. Die Spannbreite ist unvorstellbar weit – schließlich unterscheidet sich das Mikrobiom von Mensch zu Mensch und ist somit so individuell wie ein Fingerabdruck.5
Möglicherweise gewinnt eine Gesamtanalyse des Mikrobioms in Kombination mit einem metabolomischen Profiling – also einer Erhebung und Auswertung der individuellen Metaboliten – an höherer Aussagekraft. Dadurch erlangt man nicht nur die Erkenntnis, welche Bakterien vorhanden sind, sondern auch, welche Stoffwechselreaktionen diese Bakterien tatsächlich gerade durchführen. Diese Ansätze werden u.a. im Rahmen der Entwicklung einer personalisierten Medizin erforscht, stecken aber derzeit noch in den Kinderschuhen.3
Auch wenn es derzeit noch keine Biomarker für die diagnostische Auswertung von Mikrobiom-Analysen gibt, zeigt sich im therapeutischen Bereich bereits stichhaltige Evidenz für den indikationsspezifischen Einsatz bestimmter mikrobiologischer Präparate zur Mikrobiom-Modulation. Dahingehend wird bei ausgewählten Patientenkollektiven (z.B. Reizdarmsyndrom, Divertikelkrankheit oder bei Antibiotika-Therapien) der klinische Nutzen von spezifischen Bakterienstämmen durch RCT-Studien untersucht, unabhängig vom Ergebnis einer Stuhlanalyse.
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