Eine Hausärztin und Internistin aus NRW erzählt uns, wie sie sich in ihrer Praxis auf SARS-CoV-2 vorbereitet – und dass sie sich von Ämtern und Behörden im Stich gelassen fühlt.
Gar nicht, weil von offiziellen Stellen gar keine Infos kommen. Mein Kollege und ich mussten uns selber um aktuelle Diagramme und Pläne des Robert-Koch-Instituts (RKI) kümmern, vom Gesundheitsamt kamen keine Informationen. Ich habe dort vergangene Woche mal angerufen, aber von sich aus kam da nichts – wenn man sich bewusst macht, dass Ärztekammern und KVen unsere Mail- und Postadressen haben und einfach nichts passiert, ist das einfach nur peinlich.
Inzwischen hat uns zwar ein Fax erreicht, aber bis auf bisher leere Unterstützungsangebote und einige Links stand da nichts wirklich Hilfreiches drin.
Die Pressekonferenz von vergangener Woche fand ich ehrlich gesagt gar nicht schlecht. Allerdings springt Spahn mir ansonsten zu viel hin und her. An einem Tag heißt es noch „Wir sind gut vorbereitet“, am nächsten dann „Die Pandemie droht“. Diese Art von Wankelmut halte ich nicht für hilfreich, für Laien sogar unheimlich. So ein Verhalten verwirrt aber auch Ärzte sehr. Jetzt ist ja immerhin eindeutig von einer Pandemie die Rede.
Wir haben von der Schweinegrippe noch FFP2-Masken, Schutzkleidung haben wir sowieso. Außerdem haben wir an allen Türen Schilder aufgehängt mit dem Text „Liebe Patienten, um Infektionen zu vermeiden, schütteln wir nicht die Hand. Bitte in die Ellenbeuge niesen und husten, bitte regelmäßig Hände waschen. Dies dient Ihrem Schutz“. Das hängt jetzt an jeder Tür.
„Coronavirus“ benutze ich als Wort absichtlich nicht. Wir achten jetzt bewusst auf noch häufigere Händedesinfektion und selbstverständlich Händewaschen. Unsere MFA haben einen Fragebogen an der Anmeldung: Wenn jemand mit einschlägigen Symptomen kommt, werden Kontakte ins Ausland und Reisen abgefragt. Den hatten wir schon vergangene Woche für unsere Patienten entworfen, inzwischen gibt es da ja doch auch einen von der KV.
Bisher wurden die Risikofragen immer verneint, aber falls sie demnächst mal bejaht werden, verlegen die MFA den Patienten direkt in einen Praxisraum, der am besten zu desfinizieren ist. Dann wird sofort der Arzt – also mein Kollege oder ich – informiert. Dann läuft die RKI-Kette an. Wir sind auch dazu übergegangen, arbeitstäglich alle Flächen zu desinfizieren.
Ich habe die Befürchtung, dass viele andere Sachen übersehen werden, weil alle nur noch scheuklappenmäßig nach Corona suchen. Eventuell werden dann Möglichkeiten wie Influenza oder bakterielle Pneumonie nicht bedacht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass zu viele Ressourcen durch unnötige Nachfragen und Ängste gebunden werden, dadurch sind auch unsere Kapazitäten stark eingeschränkt – die Betonung liegt hier auf „unnötige“. Durch Übervorsicht werden Verunsicherungen geschürt und Kräfte in falsche Bahnen gelenkt und Panik führt eben leider immer auch zu Überreaktionen.
Bei der Influenza 2017 hatten unsere Kollegen in einem Mönchengladbacher Krankenhaus nach Karneval jeden Tag 50 schwerstkranke Patienten, da spricht heute niemand mehr von. Aber Vorsicht ist natürlich essenziell. Vorsichtsmaßnahmen sind wichtig, zum Beispiel das richtige Händewaschen und die Hustenetiquette, aber aktuell wird einfach zu viel Panik gemacht.
„Wenn mir die Nase läuft, hab ich dann das Coronavirus?“ Das ist tatsächlich die häufigste Frage, die mir im Moment gestellt wird. Aber gerade erst vor ein paar Tagen hatte ich auch einen Fall von gefährlichem Halbwissen. Eine Rheumapatientin, die Immunsuppressiva einnimmt, hat mich gefragt, ob sie die nicht lieber jetzt absetzen soll, damit sich ihr Immunsystem wieder regeneriere. Zum Glück hat sie vorher gefragt.
Auch „Wie ist das mit einem Test?“ höre ich oft. Der Arzt sollte hier aufklären, wann der Test sinnvoll ist und wann nicht. Die Kriterien sind ja jetzt ausgeweitet worden und die Entscheidung liegt in unserem Ermessen. Ich appelliere da auch an Kollegen, zu bedenken, dass der aktuelle Test erst kurz vor Auftreten der Symptome anschlägt und daher nur bei begründetem Verdacht sinnvoll ist. Blindes Testen bringt wenig. Helfen würde hier natürlich auch die Vorgabe eines festen Zeitfensters, wie zum Beispiel bei Borrelien, sobald das sicher möglich ist.
Koordination – dahinter würde ich gern 35 Ausrufezeichen setzen. Außerdem endlich vernünftige und gezielte Informationen. Ich denke da an ein Beispiel: Bei uns in der Region bekommen wir regelmäßig ausführlichste Infos zur Verteilung von Iodtabletten im Fall eines GAU. Wo bleibt das entsprechende Material jetzt?
Das Tragen eines Mundschutz, wenn es ohne Grunderkrankung passiert. Das hat allenfalls einen nachvollziehbaren psychologischen Effekt – „Ich habe alles versucht, um mich zu schützen“ – ist ansonsten aber völlig sinnfrei. Und verschwendet dringend benötigte Ressourcen.
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