Überraschung aus dem Bundesministerium für Gesundheit: Eine neu zu gründende „Cannabisagentur“ am BfArM soll den Anbau und die Verteilung von Medizinalhanf regeln. Bis zur Umsetzung kommt auf Politiker und Apotheker noch viel Arbeit zu.
Showdown vor dem Kölner Verwaltungsgericht: Mitte 2014 hatten Richter schwerkranken Patienten den Weg geebnet, um in begründeten Einzelfällen Cannabis für eigene Zwecke anzubauen. Mit dem Urteil wurde das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verpflichtet, entsprechende Anträge erneut zu prüfen (Az. 7 K 4447/11 u.a.). Arzneimittelexperten legten umgehend Berufung ein. Unter der prekären Situation leiden in erster Linie Patienten. Heimische Anzuchten erreichen kaum das Niveau standardisierter Präparate. Marlene Mortler (CSU), Drogenbeauftragte der Bundesregierung, arbeitet seit Februar an einer Lösung.
Zur Problematik selbst: Bislang bleibt Patienten mit Multipler Sklerose, mit chronischen Schmerzen oder spastischen Lähmungen nur, Cannabis über ihre Apotheke zu beziehen. Sie erhalten zwar Präparate in standardisierter Qualität, müssen aber in vielen Fällen selbst tief in ihre Tasche greifen. Lieferengpässe kommen erschwerend mit hinzu. Jetzt überraschen Gesundheitspolitiker mit gesetzlichen Neuregelungen. Sie planen, eine „Cannabis-Agentur“ am BfArM zu gründen. Aufgabe der neuen Institution ist erst einmal die Bedarfsplanung. Anschließend folgen Verträge mit Firmen, um bundesweit professionell Medizinalhanf anzubauen. Experten denken hier an landwirtschaftliche Betriebe mit besonderen Schutzvorkehrungen. Ihre Produkte verkauft die Agentur weiter an pharmazeutische Hersteller, Großhändler oder Apotheken. Gleichzeitig gilt es, Abgabepreise festzulegen. Krankenkassen müssten entsprechende Kosten in „medizinischen begründeten Fällen“ übernehmen, heißt es im Entwurf.
Offene Fragen bleiben trotzdem. Bei welchen Indikationen haben Ärzte die Möglichkeit, Medizinalhanf zu verordnen? Derzeit fehlen methodisch hochwertige Studien – Hinweise auf mögliche Anwendungsgebiete finden sich in der Literatur zu Genüge. Auch über Qualitätsanforderungen wäre an passender Stelle nachzudenken, etwa in Form einer Monographie. Die Bundesapothekerkammer setzt sich dafür ein, Cannabis wie andere Arzneimittel zu behandeln.
Damit haben Politiker und Apotheker einen groben Rahmen abgesteckt, welche Herausforderungen noch auf sie zukommen werden. Im nächsten Schritt sind Bundestagsabgeordnete gefragt, um das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) zu ändern. Insider erwarten einen Schlagabtausch – nicht alle Christsozialen und Christdemokraten befürworten Hermann Gröhes Vorstoß. Ab wann Patienten von Medizinalhanf profitieren, lässt sich derzeit nicht abschätzen.