Alle sprechen vom Desinfizieren und Händewaschen. Doch gleichzeitig leckt mein Kollege regelmäßig seine dreckigen Finger ab.
Kunde: Haben Sie ...
DerApotheker: Nein, leider nicht!
Kunde: Aber Sie wissen doch gar nicht, was ich fragen will!
DerApotheker: Ob wir Mundschutz oder Desinfektionsmittel da haben.
Kunde: Hmm, ja. OK. Und haben Sie?
DerApotheker: Nein, leider nicht.
Kunde: Ohne Mundschutz und Desinfektionsmittel werden wir uns alle mit dem Coronavirus anstecken!
DerApotheker: Wir werden alle sterben!
Kunde: Sie glauben, dass das Virus uns alle töten wird?
DerApotheker: Nein! Nur, dass wir alle sterben werden.
Kunde: Zehn Nasensprays, bitte!
DerApotheker: Wofür brauchen Sie zehn Stück?
Kunde: Wegen des Coronavirus!
DerApotheker: Aber das hilft doch nicht gegen das Virus!
Kunde: Ja! Nur zur Sicherheit, falls ich einen Monat lang wegen des Virus nicht das Haus verlassen darf!
Kunde: Ich war jetzt in mehreren Apotheken und in keiner gibt es mehr Desinfektionsmittel! Das ist eine Frechheit!
DerApotheker: Ja, wir lassen uns gerne ein Geschäft entgehen, nur, um unsere Kunden zu ärgern.
Kundin: Ich brauche Globuli, um mich vor dem Coronavirus zu schützen!
DerApotheker: Gibt es nicht und falls doch, schützen sie nicht!
Kundin: Wieso sagen Sie sowas?
DerApotheker: Weil ich nicht weiß, ob Sie Ihr Geld aus Unwissenheit oder absichtlich verschwenden wollen!
All diese Ereignisse passierten am Freitag den 28.02.2020. An diesem Tag stand ich von morgens bis abends in der Apotheke und habe den Menschen mindestens 500 Mal sagen müssen, dass wir kein Desinfektionsmittel mehr haben.
Und Atemschutzmasken? Nein, auch keine Atemschutzmasken mehr.Das ging eigentlich die ganze Woche schon so, nur am Freitag war es extrem schlimm.
In meinem letzten Artikel Mundschutz: Jetzt herrscht Notstand schrieb ich noch als Fazit: „Was mich übrigens wundert, ist, dass mich bisher so viele Menschen nach einem Mundschutz gefragt haben, aber tatsächlich kein einziger nach einem Desinfektionsmittel!“
Das hat sich nun geändert. Massiv geändert. Nach meinem letzten Artikel war es eine Zeit lang ruhig. Die Menschen wussten, dass es keinen Mundschutz mehr gab. Vereinzelt kamen aber dennoch Kunden, um danach zu fragen. Manche wollten ins Theater gehen, andere ins Kino. Da brauchte es eben einen Mundschutz, man hatte nicht das Bedürfnis, sich anzustecken.Vor allem aber kamen viele Asiaten in die Apotheke, die nach Mundschutz fragten. Einige Chinesen wollten sogar große Mengen kaufen, um sie zu Verwandten nach China zu schicken.
Mitte Februar bekamen wir tatsächlich noch ein paar FFP2-Masken rein, die wir innerhalb von einer Woche verkauften. Zu fairen Preisen. Die Nachfrage war da.
Nachdem die Medien weiter Panik verbreiteten, um ihre Auflagen zu steigern, ging plötzlich der Run auf Desinfektionsmittel los. In der letzten Februarwoche stieg die Nachfrage deshalb sprunghaft an. Am Donnerstag, den 27.02.2020 bekamen wir noch 30 kleine Flaschen Handdesinfektionsmittel und 10 große geliefert.
Kurz vor meiner Pause platzierte ich sie alle in einem Aufsteller. Als ich eine Stunde später zurück kam und meinen ersten Kunden bediente, lautete seine Frage: „Haben Sie noch Desinfektionsmittel?“
Meine Antwort war: „Ja, wir haben tatsächlich noch etwas reinbekommen.“ Ich ging zum Aufsteller, um ihm etwas zu holen, doch es waren alle weg! Alle Flaschen! Die großen und die kleinen. Nach einer Stunde. Alle weg(Vielleicht sogar früher, ich war ja in der Pause).
Freitag dann also der Horrortag. Rund um die Uhr standen Menschen in der Schlange oder kamen direkt an den HV-Tisch, weil sie keine Lust auf Warten hatten, um mich dann im Beratungsgespräch zu unterbrechen. Es war verrückt und vor allem anstrengend.
Den meisten Kunden merkte man an, dass sie schon in zig anderen Apotheken waren, bevor sie zu mir kamen.
Eine ältere Frau hingegen dachte sich, dass sie jetzt auch mal nach einem Desinfektionsmittel fragen müsste und war dann verwundert, dass andere tatsächlich die gleiche Idee hatten wie sie und sie nun keines mehr bekommen konnte.
Meine Ultra-Schwurbel-Kollegin war sogar der Meinung, den ganzen Tag Latexhandschuhe tragen zu müssen, um sich zu schützen. Wir fanden das aus mehreren Gründen nicht sehr sinnvoll. Ich fand das sogar eher lächerlich. Sie trug ein Paar für mehrere Stunden, desinfizierte oder wusch diese nicht, und fasste alles mit ihnen an. Alles, was meine Kollegen und ich auch anfassen mussten, natürlich ohne Handschuhe.
Angeblich sollen Handschuhe ja verhindern, dass man sich damit ins Gesicht fasst. Naja.
Ich hingegen wusch und desinfizierte regelmäßig meine Hände. Und ganz wichtig: Ich fasse mir grundsätzlich nicht mit dreckigen Händen ins Gesicht. Ich habe den ganzen Tag Geld in der Hand und das Letzte, was ich tun möchte, ist mir ins Gesicht zu fassen.
Mein Kollege ist da anders: Er leckt sich seine dreckigen Finger ab, damit er die Rezepte besser auseinander bekommt, wenn ihm der Kunde mehrere in die Hand drückt. Ich rede mir da den Mund fusselig, aber er macht das automatisch.
Genauso wie die Kunden, die ich auch immer wieder dabei beobachte, wie sie sich die Finger ablecken, bevor sie das Rezept aus der Tasche ziehen. Ich mag es sehr, sehr gerne, fremden Speichel an meinen Händen zu haben. Vielleicht aber auch nicht.
Egal. Zurück zu meiner behandschuhten Kollegin: Was mich außerdem daran störte, war, dass sie damit unnötig Panik verbreitete. „Oh, schau mal, Hubert, die Apothekerin trägt Handschuhe, um sich vor dem Coronavirus zu schützen. Wir brauchen unbedingt auch welche.“
Doch das ist Unsinn. Welchen Schutz sollen Handschuhe schon bieten? Außer vielleicht tatsächlich den, sich nicht ins Gesicht zu fassen. Das war’s aber auch schon. Das Problem ist vielmehr, dass das Tragen von Handschuhen oder auch von einem Mundschutz einem das Gefühl gibt, dass man geschützt vor dem Virus sei und man sich deshalb nicht infizieren könne. Doch dadurch kann man eher leichtsinnig werden.
Und mal ernsthaft: Wie oft sehe ich Menschen, die sich den zweiten Handschuh so ausziehen, dass sie mit der nackten Hand an den Fingern des Handschuhs ziehen, so, dass ihre Finger kontaminieren. Sehr, sehr oft.
Bildquelle: Valerie Elash, unsplash