Aus dem Knochenmark stammende Zellen regulieren die Darmbarriere und das Mikrobiom im Darm. Diese Erkenntnis ist für das Krankheitsverständnis von Morbus Crohn entscheidend und bildet die Grundlage für eine Vielzahl möglicher neuer therapeutischer Ansätze.
Körpereigene Antibiotika, die u. a. von Paneth'schen Körnerzellen im Dünndarm gebildet werden, spielen eine entscheidende Rolle bei Morbus Crohn des Dünndarms. Der Inhalt dieser Zellen wird normalerweise in ausreichenden Mengen ins Darminnere abgegeben. Diese „Defensine“ verhindern dort das Eindringen der im Darm enthaltenen Mikroorganismen in den Körper und regulieren gleichzeitig die Zusammensetzung des Darmmikrobioms. Neben einer zentralen Rolle bei Morbus Crohn des Dünndarms scheinen Paneth-Zellen auch bei einer Vielzahl anderer Erkrankungen - an denen das Darmmikrobiom beteiligt ist - eine wichtige Rolle zu spielen. Dazu gehört neben metabolischen Erkrankungen auch die Graft-versus-Host-Erkrankung. Verschiedene genetische Defekte, die teils durch eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Jan Wehkamp von der Medizinischen Universitätsklinik Tübingen beschrieben wurden, führen direkt zur Störung der Panethzellen und sind mit Morbus Crohn des Dünndarms assoziiert.
Lange Zeit war jedoch unklar, wie es bei Patienten ohne genetische Veränderungen zur Störung dieses Systems kommt. Die Arbeitsgruppe um Wehkamp untersuchte die Frage, welchen Einfluss vom Knochenmark abstammende Zellen auf die Darmbarriere haben könnten, vor allem in Bezug auf die Regulation der körpereigenen Defensinabwehr und somit auf das Mikrobiom. Die Arbeitsgruppe ging von einer völlig neuartigen Hypothese aus: Zellen des Knochenmarks könnten das Darmmikrobiom indirekt über die Defensine der Panethzellen kontrollieren. Ausgangspunkt dieser Idee ist die Tatsache, dass sich die Symptome von Morbus Crohn des Dünndarms über eine Knochenmarkstransplantation beheben lassen. In dieser Arbeit konnte erstmals gezeigt werden, dass vom Knochenmark abstammende mononukleäre Zellen des angeborenen Immunsystems über Stammzelldifferenzierungsfaktoren die körpereigene, antibakterielle Defensinantwort in den Panethzellen kontrollieren können. Diese Erkenntnis war völlig unerwartet und stellt bisherige Vorstellungen auf den Kopf.
Es stellte sich heraus, dass die Monozyten des Immmunsystems von Patienten mit Morbus Crohn einen Defekt haben und nicht in der Lage sind, die Barriere im Darm ausreichend zu kontrollieren. Ursache ist, dass die Monozyten der Patienten zu wenig Stammzelldifferenzierungsfaktoren (Wnt-Liganden) produzieren. Durch diesen Monozytendefekt können die Patienten Bakterien nicht ausreichend abwehren und es kommt zur Entzündung. Die Studie zeigt, dass es eine Interaktion zwischen Monozyten und der Darmbarriere gibt, die Auswirkungen auf die antimikrobielle Abwehr und die Zusammensetzung des Darmmikrobioms hat. Diese Erkenntnisse sind für das Krankheitsverständnis entscheidend und eröffnen eine Vielzahl von möglichen therapeutischen Ansätzen. Neben dem Verständnis für Morbus Crohn liefern diese Daten auch eine Erklärung für die Wirksamkeit von Knochenmarkstransplantationen, die in schweren Fällen von Morbus Crohn durchgeführt werden. Darüber hinaus lassen diese Daten aber möglicherweise auch den Schluss zu, dass erst durch die Transplantation defekter Monozyten im Rahmen einer Knochenmarkstransplantation eine Entzündung der Darmwand wie bei der Graft-versus-Host-Erkrankung“ ausgelöst werden kann. Originalpublikation: Crohn's disease-derived monocytes fail to induce Paneth cell defensins Lioba F. Courth et al.; Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.1510084112; 2015