Bei Verdacht auf eine koronare Herzerkrankung gehört das Belastungs-EKG zur Basisdiagnostik – obwohl seine mangelnde Aussagekraft schon lange kritisiert wird. In einer Studie versagte die Methode bei mehr als der Hälfte aller untersuchten Frauen mit KHK. Hat das EKG hier ausgedient?
Kardiologen setzen Belastungs-EKGs als Teil ihrer Basisdiagnostik ein, um Durchblutungsstörungen nachzuweisen. Die Methode wird wegen ihrer niedrigen Sensitivität und Spezifität schon länger hinterfragt. Jetzt bestätigen Forscher der Northwest Clinics im niederländischen Alkmaar die Kritik vieler Kardiologen mit neuen Daten.
Zusammen mit Kollegen hat Remco Knol 551 Frauen mit Brustschmerzen unklarer Herkunft in seine Studie aufgenommen. Bei ihnen verglich er Resultate aus Belastungs-EKGs mit Herz-CTs. Bei 14 Frauen (3 Prozent) diagnostizierten Ärzte eine KHK. 324 Frauen (59 Prozent) leideten laut Belastungs-EKG nicht an koronaren Herzerkrankungen (KHK). Bei weiteren 213 Teilnehmerinnen (39 Prozent) ließen sich keine klaren Aussagen treffen. Zum Vergleich: Durch das bildgebende Verfahren konnte bei 268 Frauen (49 Prozent) eine KHK diagnostiziert werden. 57 Prozent aller Probandinnen, die laut Belastungs-EKG eigentlich gesund wären, zeigten im CT dennoch Anzeichen von Gefäßverengungen. Im Gegensatz dazu bestätigten Kardiologen bei 64 Prozent mit KHK laut Belastungs-EKG die Diagnose per Bildgebung nicht. Subgruppenanalysen zeigten noch stärkere Diskrepanzen. Knol betrachtete Ergebnisse von 56 Frauen (21 Prozent) mit Stenosen von mindestens 50 Prozent laut Bildgebung. Beim Belastungs-EKG galten 26 Teilnehmerinnen (46 Prozent) als gesund, eine (2,0 Prozent) erhielt KHK als Diagnose, und bei 29 Frauen (52 Prozent) gab es keine eindeutigen Resultate. Aufgrund dieser Ergebnisse sei fraglich, ob das Belastungs-EKG zur Diagnose von KHK überhaupt eingesetzt werden sollte, kommentiert der Erstautor.
Wie ist die Situation in Deutschland? Die Leitlinie spricht von einer „geringeren diagnostischen Aussagekraft“ der Belastungs-EKGs, ohne sich davon ganz zu verabschieden: „Die Wahl des initialen nicht-invasiven Verfahrens ist von den vor Ort verfügbaren Gerätschaften und der lokalen Expertise abhängig zu machen.“ Risikofaktoren wie Diabetes, Hypertonie oder Adipositas sollten vom behandlenden Arzt bei der Wahl des Diagnoseverfahrens laut Leitlinie unbedingt berücksichtigt werden.