Erkranken Kinder an typischen Virusinfektionen, haben sie in späteren Jahren mit Risiken wie dem akuten Koronarsyndrom (ACS) zu rechnen. Retrospektive Fall-Kontroll-Studien liefern Hinweise auf mögliche Zusammenhänge. Ein Argument mehr, sich impfen zu lassen.
Impfmüdigkeit mit Folgen: Zwischen Oktober 2014 und April 2015 erkrankten in Berlin mehr als 1.000 Menschen an Masern. Der Ausbruch verbreitete sich anfangs unter Asylsuchenden aus Bosnien und Herzegowina oder Serbien. Bald darauf traten Erkrankungsfälle bei der Berliner Bevölkerung auf – die Durchimpfungsrate unter Erwachsenen ist vergleichsweise gering. Neben der vergleichsweise seltenen subakuten sklerosierenden Panenzephalitis (SSPE) befürchten Wissenschaftler negative Folgen für das Herz-Kreislauf-System.
Dr. Andriany Qanitha vom Academic Medical Center in Amsterdam befasste sich per se mit kardiovaskulären Erkrankungen in Südostasien. Ihre Resultate haben für Europa Relevanz, obwohl noch nicht alle Einflussgrößen erforscht wurden. Ausgangspunkt ist die bekannte Hypothese, dass schwere Infektionserkrankungen eine Arteriosklerose triggern. Um diese Vermutung zu untersuchen, initiierte Qanitha eine retrospektive Fall-Kontroll-Studie. Sie befragte 153 Patienten, die vor ihrem 56. Lebensjahr am akuten Koronarsyndrom (ACS) erkrankt waren, nach Infektionen während der Jugend. Betroffene nannten unter anderem Masern, Windpocken (Varizella-Zoster-Viruen), Typhus, Influenza, oder das Dengue-Fieber. Ihre Daten verglich die Wissenschaftlerin mit einer populationsbasierten Kontrollgruppe.
Qanithas Resultate zeigen, dass schwere Infektionen mit einem 2,67-fach erhöhten Risiko in Verbindung standen, später am akuten Koronarsyndrom zu erkranken. Die Forscherin klassifizierte ihre Probanden schließlich anhand des Framingham Risk Scores. Ihre Erkenntnis: Infektionserkrankungen in der Kindheit hatten umso größere Effekte auf die Wahrscheinlichkeit eines ACS, je mehr zusätzliche kardiovaskuläre Risikofaktoren vorlagen. Als Erklärung vermutet Dr. Andriany Qanitha, Infektionen während der Kindheit würden chronische Entzündungsprozesse auslösen. Beweise gibt es aber bislang nicht. Trotzdem raten Ärzte, Impfempfehlungen ernstzunehmen.