KOMMENTAR | Was ist berichtenswert, was ist Panikmache, welche Information ist wirklich verlässlich? Darüber denke ich in Zeiten von COVID-19 täglich nach.
Das Thema Coronavirus bestimmt die gesamte Berichterstattung, national und international. Für Medien bedeutet das, immer die neuesten Entwicklungen auf dem Schirm zu haben. Man möchte den Lesern ein so vollständiges Bild wie möglich liefern, damit sie sich optimal informiert fühlen. Natürlich geht das nicht immer. Das gilt vor allem für so etwas kaum berechenbares wie SARS-CoV-2. Peer-Reviews bei Studien fallen in solchen Ausnahmesituationen weg, um die Öffentlichkeit möglichst schnell an neu gewonnenen Erkenntnissen teilhaben zu lassen.
Doch genau dann kann es auch dazu kommen, dass Informationen so schnell wieder verschwinden, wie sie gekommen sind. So wurde etwa eine chinesische Publikation zur Reichweite des Virus ohne Angabe von Gründen kurz nach Veröffentlichung vom Autor wieder zurückgezogen. So etwas kann passieren bei einer sich ständig ändernden Lage. Wer dem Leser keine Information vorenthalten will, geht dieses Risiko ein – und muss natürlich auch über Veränderungen dieser Art informieren.
Dass es im wahrsten Sinne des Wortes nicht nur, aber natürlich auch, um Leben und Tod geht, macht die Berichterstattung noch heikler. Sie wird im Fall von COVID-19 noch zusätzlich erschwert, weil bei den am stärksten betroffenen Nationen, sprich China oder in Europa auch Italien, nicht davon ausgegangen werden kann, dass wirklich alle Informationen nach außen dringen. Dies wiederum führt dazu, dass Einzelpersonen versuchen, über ihre privaten Accounts auf sozialen Medien die Außenwelt über die Lage im eigenen Land in Kenntnis zu setzen. Natürlich berichten in diesen Fällen keine Journalisten, sondern Menschen aus ihrer persönlichen Sicht über ihr persönliches Schicksal.
Und genau hier befinden wir uns an einem kritischen Punkt. Kann man solchen Quellen 100-prozentig vertrauen? Nein. Soll man diese Form von Information deshalb ignorieren? Diese Frage werden unterschiedliche Menschen wohl unterschiedlich beantworten. Nicht nur das Ob kann hier hinterfragt werden, auch das Wie. Feinheiten in der Sprache können einen enormen Unterschied machen. Letztendlich ist die Entscheidung darüber, was berichtenswert ist und was nicht, gerade in der aktuellen Situation eine tägliche Gratwanderung.
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