Apothekensterben, AMNOG und Abschläge: Ist die eigene Apotheke noch erstrebenswert? Aus neuen Zahlen leiten Experten klare Trends ab: Gute Objekte haben ihren Preis, bringen aber auch betriebswirtschaftlich sehenswerte Resultate. Die Zeit kleiner Apotheken ist vorbei.
Approbierte stellen sich nach mehreren Berufsjahren im Angestelltenverhältnis oft die Frage, welchen Weg sie einschlagen sollen. In öffentlichen Apotheken bleiben ihnen neben normalen Jobs noch Führungspositionen als Filialleitung. Oder sie wagen gleich den Sprung in Richtung Selbstständigkeit – wären da nicht Zweifel, ob diese Option heute noch Sinn macht.
Bereits vor einem Jahr hat die apoBank untersucht, welche Argumente generell für die Selbstständigkeit sprechen. Befragt wurden 414 angestellte oder selbstständige Apothekern, Ärzte und Zahnärzte. Rund 90 Prozent aller Heilberufler nannten bessere Gestaltungsmöglichkeiten, gefolgt von mehr Selbstverwirklichung (83 Prozent), besseren Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung (72 Prozent) und einem höheren Salär (66 Prozent). Auch das Spektrum möglicher Aufgaben (65 Prozent) und der Wunsch nach mehr Kontakt zu Patienten respektive Kunden (64 Prozent) wurden häufig erwähnt. Trotzdem wagen Health Professionals immer seltener den großen Schritt. Gegen die eigene Apotheke oder Arztpraxis sprachen vor allem finanzielle Risiken (76 Prozent), die Arbeitsbelastung (63 Prozent), bürokratische Hürden (54 Prozent) sowie unternehmerische Aspekte (46 Prozent). Knapp jeder vierte Studienteilnehmer gab an, trotz vielfältiger Bemühungen kein geeignetes Objekt gefunden zu haben.
Gleicht man Befürchtungen mit Daten von Unternehmensgründungen ab, entpuppt sich so manches scheinbare Gegenargument als falsch. So konnten 998 von 1.000 Existenzgründungsfinanzierungen bedient werden. Gefahren lauern an ganz anderer Stelle: Health Professionals unterschätzen den Beratungsbedarf nach ihrem Start in die Selbstständigkeit. Während Chefs mit pharmazeutischen Kenntnissen punkten, sieht es bei Soft Skills eher düster aus. Mehr als jeder fünfte Inhaber hätte sich Hilfestellungen rund um Mitarbeiterführung, Apothekenführung, Zeitmanagement sowie Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewünscht. Apropos Nachwuchs: Apothekerinnen werden im Schnitt drei Jahre später Inhaberin, verglichen mit männlichen Kollegen. Für viele Kolleginnen ist die Familienplanung dann bereits abgeschlossen. Frauen und Männer entschließen sich generell später zur eigenen Existenz als vor wenigen Jahren. Es geht aber nicht nur um Kredite und Soft Skills. Vielen bereitet auch die Gesundheitspolitik Bauchschmerzen.
Dazu einige Trends. Beim DAV-Wirtschaftsforum Mitte 2015 rückt Dr. Eckart Bauer, Abteilungsleiter Wirtschaft und Soziales der ABDA, vom umstrittenen Begriff der „typischen Apotheke“ ab. Durchschnittliche Apotheken hatten in 2014 einen Nettoumsatz von 2,024 Millionen Euro (2013: 1,887 Millionen Euro). Der Wareneinsatz ging im gleichen Zeitraum von 74,5 auf 75,1 Prozent des Nettoumsatzes nach oben. Gehälter und sonstige steuerlich abzugsfähige Kosten veränderten sich nur geringfügig. Das Betriebsergebnis erhöhte sich von 124.393 auf 129.182 Euro – gültig für die durchschnittliche Apotheke. Bei dieser Zahl dürfen schmerzliche Realitäten nicht übersehen werden – 61 Prozent aller Betriebsstätten lagen im letzten Jahr unter dem Wert, und 39 Prozent darüber. Frank Diener, Generalbevollmächtigter der Treuhand Hannover, erwartet, dass sich die Marktspreizung weiter fortsetzt. Anfang 2015 spekulierte er, zwei Drittel aller Betriebe könnten ein Umsatzplus verzeichnen, während ein Drittel Umsatzeinbrüche zu verzeichnen hätten.
Die Folgen sind schon lange spürbar. Während kleine Einzelapotheken immer häufiger von der Bildfläche verschwinden, gewinnen größere Verbünde an Bedeutung. Zahlen der ABDA zufolge verringerte sich die Zahl an Betriebsstätten ohne Filiale von 19.148 (2005) auf 13.223 (2014). Im gleichen Zeitraum wuchs die Zahl an Hauptapotheken mit einer Filiale von 989 auf 2.187 an. Verbünde mit zwei Filialen (94 versus 592) oder drei Filialen (17 versus 267) gewinnen prozentual ebenfalls an Bedeutung. Der Trend nach größeren Strukturen zeichnet sich auch bei Verkäufen ab. In 2014 übernahmen Kollegen 16 Prozent aller Objekte als Hauptapotheke mit mindestens einer Filiale. Das Investitionsvolumen ist bei Haupt- beziehungsweise Einzelapotheken um sechs Prozent auf 511.000 Euro gestiegen. Wirtschaftlich solide Objekte erzielen immer noch gute Preise. Ein wesentlicher Aspekt: Rund 75 Prozent aller Approbierten übernahmen eine bestehende Apotheke – Neugründungen gelten eher als Seltenheit. Das mag auch an der Finanzierungssituation liegen. Kreditinstitute lehnen Finanzierungswünsche häufig ab, sollten neue Betriebsstätten nicht gerade im Ärztehaus liegen.
Bleibt als Fazit: Banken und Steuerberatungsgesellschaften raten heute zu Verbünden, falls betriebswirtschaftliche Parameter stimmen. Inhaber profitieren von Synergieeffekten, können bürokratische Aufgaben bündeln, Personal tauschen und Kunden weitaus mehr Dienstleistungen anbieten. Alternativ bleiben größere Einzelapotheken. Beide Modelle sind auch attraktive Arbeitsplätze für Angestellte, denkt man an Fortbildungsangebote und übertarifliche Gehälter. Die Zeiten von „One-Person-Shows“ mit Inhaber plus Teilzeit-PTA sind endgültig vorbei.