Es gibt möglicherweise einen Zusammenhang zwischen SARS-CoV-2 und Störungen des Geruchs- und Geschmackssinns. Das haben Mediziner beobachtet.
Eine iranische Nachrichtenagentur veröffentlichte kürzlich ein Interview mit Dr. Ebrahim Razmpa. Er ist Vize-Präsident der Rhinology Research Society Irans und will einen Zusammenhang zwischen olfaktorischen Störungen und COVID-19 beobachtet haben. Belege hat er dafür bislang keine.
Innerhalb der vergangenen Wochen habe er bei Patienten plötzlich eine ansteigende Prävalenz von auftretender Hypogeusie und Hyposmie festgestellt, die sich der Rhinologe und HNO-Chirurg nicht erklären kann.
Das Geschmacksempfinden benötige einen funktionsfähigen Geruchssinn, so der Mediziner. „Entsprechend kann eine Person, die den Geruchssinn verliert, auch weniger schmecken“, wird er zitiert. Die Form von Riechstörung, die dem Rhinologen in den letzten Wochen auffiel, sei nervlicher Natur – also nicht durch eine Verstopfung der Nasenhöhle verursacht. Vielmehr handle es sich um eine Dysfunktion des Nervus olfactorius. So etwas habe er schon in der Zeit vor dem Coronavirus bei Patienten mit anderen viralen Infekten festgestellt. Die Ursache sei unklar. In diesen Fällen verschwanden die Symptome aber auch wieder. Razmpa: „Bei den früheren Fällen kam der Geruchssinn, auch ohne spezielle Behandlung, nach etwa einem Jahr wieder zurück. In diesen Fällen empfahlen wir eine Behandlung mit Vitaminen und Kortikosteroiden.“ Allerdings könne die Ursache für diese Dysfunktion laut Razmpa auch autoimmuner Genese sein. Aus dem Interview geht vor allem eines hervor: Sicher ist gar nichts, hier wird vorwiegend spekuliert.
„Es gibt aktuell zwei Hypothesen“, sagt der Mediziner. Nummer eins: Razmpa hält es für möglich, dass die Riechstörung mit COVID-19 zusammenhängen könnte. Auslöser wäre dann SARS-CoV-2 selbst, das im Körper eine „neuronale Invasion“ verursacht. Klar ist, dass das Coronavirus schädliche Auswirkungen auf das Atmungssystem hat. Welche weiteren Regionen im Körper betroffen sind, muss jedoch erst durch Studien belegt werden. Ob sich das Virus auch auf die Funktion des Nervensystems auswirkt oder nicht, lässt sich also zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Razmpa hält diese Hypothese aber für sehr wahrscheinlich. Auch andere Forscher hatten schon vermutet, dass das Virus auch das zentrale Nervensystem befallen könnte (wir berichteten).
Nummer zwei: Die Störung könne durch schädliche Effekte von Reinigungsmitteln und Desinfektionsmitteln zustande gekommen sein, die jetzt in hohen Mengen zum Einsatz kommen.
Wie oben erwähnt, werden die Symptome mit Kortikosteroiden behandelt. Darauf möchte der Virologe in dieser Situation aber verzichten, da Kortison die Immunreaktion von Patienten schwächen kann. „Es setzt Menschen einem höheren Risiko aus, am Coronavirus zu erkranken. Wir verwenden deshalb Zink und Selen sowie diverse Vitamine zur symptomatischen Behandlung“, erzählt er.
Auch hierzulande beschäftigen sich Mediziner mit dem vom Iraner beschriebenen Zusammenhang. So führte die FAZ kürzlich ein Interview mit Hendrik Streeck, der das Institut für Virologie am Universitätsklinikum Bonn leitet. Der Facharzt für Virologie und Infektionsepidemiologie konzentriert sich mit seinem Team derzeit auf SARS-CoV-2, um mehr über das Virus herauszufinden. „Ich bin wahrscheinlich der Virologe, der die meisten Patienten hier in Deutschland gesehen hat. Wir sind im von Covid-19 besonders betroffenen Kreis Heinsberg von Haus zu Haus und zu jedem Infizierten gegangen und haben die Menschen befragt“, wird er in dem Beitrag zitiert.
Für die Untersuchungen habe er mit seinen Mitarbeitern Abstriche von Türklinken oder Handys genommen, aber auch Luft- und Toilettenwasserproben genommen. „Wir haben die Symptome erfasst und dadurch auch neue entdeckt“, so der Virologe. Auch er hat bei Patienten häufig einen Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns festgestellt.
„Fast alle Infizierten, die wir befragt haben, und das gilt für gut zwei Drittel, beschrieben einen mehrtägigen Geruchs- und Geschmacksverlust“, berichtete er in der FAZ sowie im Heute-Journal. Die olfaktorische Störung äußere sich zum Teil sehr extrem, wie Streeck erklärt: „Das geht so weit, dass eine Mutter den Geruch einer vollen Windel ihres Kindes nicht wahrnehmen konnte. Andere konnten ihr Shampoo nicht mehr riechen, und Essen fing an, fade zu schmecken. Wann diese Symptome auftreten, können wir noch nicht genau sagen, wir glauben aber, etwas später in der Infektion.“
Neben Riechstörungen habe der typische COVID-19-Patient laut Streeck trockenen Reizhusten, eventuell auch Fieber. „In 30 Prozent der Fälle trat bei unseren Infizierten auch Durchfall auf, das ist häufiger, als bisher angenommen wurde“, so der Experte.
In einem Beitrag der New York Times wird ebenfalls über den Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns einer Corona-Patientin berichtet. Auch wenn es noch keine Studien zu den aktuellen Erkenntnissen gibt, sollten sowohl Ärzte als auch Patienten dieses Symptom auf dem Schirm haben.
Bildquelle: Alexander Krivitskiy, unsplash