Sobald es in einer Region den ersten bestätigten Corona-Fall gibt, geht es Schlag auf Schlag. Mediziner aus Mailand schildern das Krisenmanagement in der Lombardei.
Drei Mediziner aus Mailand schildern in ihrem Artikel „Critical Care Utilization for the COVID-19 Outbreak in Lombardy, Italy: Early Experience and Forecast During an Emergency Response“ den Hergang der COVID-19-Epidemie in Italien und die Reaktionen darauf.
Ihre Schilderungen lauten wie folgt: Am 20. Februar 2020 wurde ein Patient mit einer atypischen Lungenentzündung auf der Intensivstation des Krankenhauses in Codogno aufgenommen. Dort stellte man fest, dass der 38-Jährige an COVID-19 erkrankt war. Zuvor war er nicht als gefährdet eingestuft und entsprechend nicht getestet worden. Binnen 24 Stunden stieg die Anzahl der gemeldeten positiven Fälle auf 36, von denen sich jedoch viele nicht mit dem ersten Fall in Verbindung bringen ließen. Das ließ vermuten, dass es in der Region bereits wesentlich mehr Infizierte geben müsse und dass die Zahlen rasant auf mehrere hundert oder tausend ansteigen würden.
Ein sofort eingerichteter Krisenstab kümmerte sich um die Kapazität der Intensivstationen in der Region: Man hatte in 74 Krankenhäusern etwa 720 Intensiv-Betten, die in den Wintermonaten normalerweise zu 85 bis 90 Prozent ausgelastet sind. Aufgrund der Erfahrungen aus China ging man davon aus, dass etwa fünf Prozent der hospitalisierten Patienten ein Intensiv-Bett benötigen würden und wies dafür binnen zwei Tagen 130 Betten in 15 spezialisierten Krankenhäusern aus. Innerhalb von 18 Tagen wurde die Kapazität auf knapp 500 Betten in 55 Häusern erhöht. Ab dem 8. März galten strenge lokale Quarantäne-Maßnahmen, die vom 10 März an national ausgeweitet wurden.
In den ersten vierzehn Tagen gab es einen stetigen Zuwachs an bestätigten Fällen, von denen 12 Prozent – bzw. 16 Prozent der stationär aufgenommenen Patienten – auf Intensivstationen behandelt wurden: Am 7. März waren es 359 von 2.217 stationär aufgenommenen Patienten, seit Beginn der Epidemie insgesamt 556. Damit liegen die Zahlen deutlich über denen in China, die Gründe dafür sind unbekannt. Seit dem 8. März werden schwer Erkrankte auch in Krankenhäusern außerhalb der Region behandelt.
Anhand der Entwicklung des Bedarfs auf Intensivstationen schätzt man, dass bis zum 20. März 2020 zwischen 869 (lineares Modell) und 14.542 Patienten (exponentielles Modell) auf Intensivstationen behandelt werden müssen – diese Schätzung bezieht keine Patienten mit anderen Erkrankungen ein.
Rückblickend betrachtet war der fulminante Verlauf der Ausbreitung nach Meinung der Autoren schlecht vorhersehbar. Sie weisen darauf hin, dass die Testkapazitäten zu schnell erschöpft waren, und dass man außer der Erhöhung der Kapazität auf den Intensivstationen schneller Maßnahmen zur Begrenzung der Ausbreitung hätte ergreifen müssen.
In der Lombardei gab es bislang insgesamt 14.649 Fälle, pro 100.000 Einwohner sind 146 Personen erkrankt (16.3.2020, 17 Uhr). Die Sterblichkeit unter den diagnostizierten Fällen (case fatality rate, CFR) liegt aktuell bei 9,7 Prozent (1420 Tote).
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