Solange es keinen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 gibt, suchen viele Mediziner nach anderen Möglichkeiten, das Coronavirus in den Griff zu bekommen. Ein Immunologe setzt dabei auf die Behandlung mit dem Blut von Genesenen.
Arturo Casadevall ist Bloomberg-Professor für Molekulare Mikrobiologie & Immunologie und Infektionskrankheiten an den Johns Hopkins Schools of Public Health und Medicine. Er hält es für möglich, eine Therapieform zu entwickeln, die binnen weniger Wochen zum Einsatz kommen könne, erzählt der Mediziner in einem Pressebericht der Universität.
Für diese Behandlungsvariante werden Antikörper aus dem Blutplasma oder -serum von Menschen genommen, die an COVID-19 erkrankt waren und mittlerweile genesen sind. Diese Antikörper sind dazu fähig, an SARS-CoV-2 zu binden und das Virus zu neutralisieren. Daher können sie die Immunität von gerade erst infizierten Patienten stärken.
Seinen Behandlungsvorschlag veröffentlichte Casadevall kürzlich als Kommentar im Journal of Clinical Investigation. „Um diese Option anzuwenden, ist weder Forschung noch Entwicklung nötig“, so der Immunologe. „Diese Variante könnte binnen weniger Wochen umgesetzt werden, weil der Ansatz auf dem standardisierten Blood-Banking-Prozedere beruht.“
Angenommen, man würde auf Casadevalls Therapie setzen, dann wäre man von einer Sache abhängig: dem Blut der Genesenen. Patienten, die nach einer überstandenen COVID-19-Erkrankung wieder gesund sind, müssten sich zur Verfügung stellen. Nur wenn es ausreichend Blutspenden dieser Patienten gibt, können Plasma und Serum für andere aufbereitet werden. Sobald es von Giftstoffen oder Erregern befreit ist, kann es Erkrankten oder besonders anfälligen Hochrisikopatienten injiziert werden.
Das Blutserum oder das Plasma kann in Kliniken oder Blutbanken gewonnen werden. Der Immunologe hält das Verfahren für genauso sicher wie eine gewöhnliche Bluttransfusion. Es gebe derzeit einige Experten in den USA, die darauf drängen, möglichst bald mit dieser Therapie zu beginnen, erklärt der Mediziner. Bei Ärzten in Shanghai sei die Behandlung bereits im Einsatz – erste Ergebnisse seien vielversprechend gewesen, so Casadevall. Auch Japans größter Arzneimittelhersteller Takeda Pharmaceuticals hat begonnen, die Therapie zu testen.
Das Johns Hopkins Research Team unterstützt Casadevalls Projekt, um bald in Baltimore mit ersten Therapieversuchen zu beginnen, doch erst müssen noch die nötigen Ressourcen dafür beschaffen werden.
Die Plasmatherapie kam schon Anfang des 20. Jahrhunderts zum Einsatz, um unter anderem Mumps oder Masern zu behandeln. Als Beispiel nennt der Immunologe einen Fall aus dem Jahr 1934: Damals gelang es durch diese Therapie, einen Masernausbruch in einer US-Schule zu verhindern.
Eine Herausforderung bei dieser Art der Behandlung sei die Technik, sagen Experten. Es komme auf präzises Timing an, um die Immunität des Patienten tatsächlich positiv zu beeinflussen. Es handle sich um kein (All-)Heilmittel, sondern um eine temporäre Maßnahme, die solange hilfreich sein könne, bis es bessere Optionen gibt.
„Es ist alles machbar – aber um es hinzukriegen, braucht man Organisation, Ressourcen und natürlich Menschen, die eine Erkrankung überstanden haben und Blut spenden können“, fasst der Mediziner zusammen. Um mehr über die Möglichkeiten der Blutserumtherapie im Kampf gegen SARS-CoV-2 zu lernen, müssen klinische Studien folgen, wie er betont.
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