Durchfall tritt bei COVID-19-Patienten häufiger auf als ursprünglich angenommen. Menschen, die an chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen leiden, rücken jetzt in den Fokus. Auf welche Hinweise Ärzte achten sollten.
Derzeit gibt es mehrere kleine Studien, in denen gastrointestinale Symptome bei COVID-19-Patienten untersucht und analysiert werden. US-Kliniker um Ryan C. Ungaro der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York City haben einen Bericht veröffentlicht, in dem sie Erkenntnisse solcher Studien zusammentragen. Darin enthalten seien alle Informationen, die Gastroenterologen über SARS-CoV-2 und COVID-19 wissen sollten.
„Für Gastroenterologen ist es von Bedeutung, dass Patienten unter anderem von gastrointestinalen Symptomen wie Übelkeit oder Diarrhö berichten“, schreiben die Studienautoren. „25 Prozent der Patienten gaben Diarrhö als Symptom an“, ergänzen sie und beziehen sich dabei auf einen Bericht von Liang et al.
Beim ersten Fall in den USA zählte Durchfall beispielsweise zu den Hauptsymptomen. Generell variiere die Häufigkeit hinsichtlich Diarrhö bei COVID-19-Patienten je nach Bericht aber deutlich, zwischen 2 und 33 Prozent sei alles möglich. Kürzlich berichtete jedoch auch der deutsche Virologe Hendrik Streeck über eine Häufung des Symptoms bei COVID-19-Patienten. Zwei Drittel der Patienten hätten Durchfall als Symptom angegeben (wir berichteten).
Warum es zu Durchfall kommen könnte, erklären die Autoren folgendermaßen: Der Zell-Rezeptor ACE2, den das Virus für den Eintritt in die Zelle benötigt, findet sich häufig in den Enterozyten des Dünndarms. Die mit dem Viruseintritt verbundene Störung von ACE2, die auch bei Darmentzündungen eine Rolle spielt, könnte zu Durchfall führen. Darüber hinaus weisen Ungaro und seine Kollegen auch darauf hin, dass es bei COVID-19-Patienten teils auch Auffälligkeiten hinsichtlich der Leberfunktion bei Laborbefunden gegeben habe.
Besonders relevant sind diese neuen Informationen in Hinblick auf die Behandlung von Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), zumal viele von ihnen Immunsuppressiva einnehmen.
In einer weiteren Arbeit von Lei Pan et al. wurden 204 COVID-19-Patienten untersucht, 107 Männer und 97 Frauen. Das durchschnittliche Alter der Probanden betrug 54,9 Jahre. Davon gaben 99 Patienten (48,5 %), die in der Klinik behandelt wurden, gastrointestinale Symptome als ihre Hauptbeschwerde an.
Folgende Besonderheiten wurden bei Patienten mit Verdauungsstörungen beobachtet: Bei ihnen verstrich deutlich mehr Zeit zwischen dem Einsetzen von Symptomen und einer stationären Aufnahme im Krankenhaus als bei Patienten ohne digestive Symptome (9.0 vs. 7,3 Tage).
Des Weiteren stellte man bei der Patientengruppe vermehrt Inappetenz (83 % der Fälle), Diarrhö (29,3 %), Erbrechen (0,8 %) und abdominale Schmerzen (0,4 %) fest. Sieben Patienten wiesen überraschenderweise überhaupt keine respiratorischen Symptome auf.
Bei Patienten ohne gastrointestinale Beschwerden war die Wahrscheinlichkeit, zu genesen und entlassen zu werden, höher als bei der Patientengruppe mit Verdauungsstörungen (60 % vs. 34.3 %). Die Sichtung der Labordaten aller Corona-Fälle ergab keinerlei signifikante Leberschäden.
Was ziehen Gastroenterologen nun aus den neuen Erkenntnissen? Ungaro und seine Kollegen raten zu folgendem Vorgehen: Patienten, die aufgrund von CED immunsuppressive Medikamente einnehmen, tun das weiterhin, die Medikation solle unverändert bleiben. Das Risiko, dass die Erkrankung durch ein Absetzen aufflammt, ist größer als das Risiko, anfälliger für das Coronavirus zu werden.
Zusammenfassend lauten die zentralen Anweisungen der Autoren an Gastroenterolgen:
„Kliniker sollten gastrointestinale Symptome wie Diarrhö als Erkrankungsmerkmal bei COVID-19 berücksichtigen“, betonen auch Lei Pan et al. „Dieser Hinweis sollte bei Risikopatienten mit gastrointestinalen Symptomen schon früher als Verdachtssignal erkannt werden, anstatt auf respiratorische Symptome zu warten“, so die Empfehlung. Um die Ergebnisse zu bestätigen, seien aber noch weitere groß angelegte Studien nötig.
Bildquelle: JimCoote, pixabay