Noch immer ist unklar, wie SARS-CoV-2 aus dem Tierreich auf den Menschen übergegangen ist. Molekularbiologische Untersuchungen lassen jetzt Katzen als mögliche Zwischenwirte und Überträger verdächtig erscheinen.
Durch die intensive Grundlagenforschung rund um das neue Coronavirus werden immer mehr Details des Infektionsprozesses erkennbar. Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Angiotensin Converting Enzyme 2 (ACE2), das dem Virus als Rezeptor dient. Interessanterweise weist das menschliche ACE2 eine hohe Strukturhomologie zu dem entsprechenden Enzym anderer Arten auf, insbesondere zum ACE2 von Katzen und Frettchen [1]. Man geht davon aus, dass sich das Virus durch Evolutionsprozesse an diesen Rezeptor angepasst hat. Dazu sind nur wenige Punktmutationen in dem RNA-Abschnitt des Virus erforderlich, der die rezeptorbindende Domäne (RBD) des Spikeproteins kodiert. Die RBD ist sozusagen der "Klebstoff" der Virusbindung – je besser sie dem ACE2-Rezeptor entspricht, desto effektiver kann SARS-CoV-2 an menschliche Zellen binden und sie infizieren.
Eine zweite Eigenheit von SARS-CoV-2 ist ein polybasischer Spaltbereich zwischen den beiden Untereinheiten des Spikeproteins, der S1- und S2-Einheit. Er verbessert die Fusion des Virus mit der Wirtszelle. Dieser Spaltbereich kommt bei den bisher verdächtigten Coronaviren von Fledermäusen nicht vor. Er muss also von Viren eines bisher nicht identifizierten Zwischenwirts stammen.
Wer könnte der geheimnisvolle Zwischenwirt sein? Diese Frage ist immer noch offen. Ein Blick zurück in die SARS-Epidemie des Jahres 2003 lässt jedoch Vermutungen zu. Im Wohnkomplex "Amoy Gardens" in Hongkong kam es seinerzeit zu einem lokalen SARS-Ausbruch, dessen genaue Ursache nie vollständig aufgeklärt wurde. Unter anderem wurden das Abwassersystem oder eine aerogene Infektion vermutet. Einige Autoren [2] weisen jedoch darauf hin, dass der Wohnkomplex von einer großen Anzahl Katzen bevölkert wurde. Katzen können ebenfalls mit SARS infiziert werden, erkranken jedoch nicht oder nur leicht. Im Rachenabstrich von Katzen lassen sich die Viren ebenfalls nachweisen.
Einen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass auch SARS-CoV-2 in Wuhan diesen Weg genommen hat, gibt es zur Zeit nicht. Aber es lohnt sich sicher, die Rolle unserer Haustiere in Zukunft genauer unter die Lupe zu nehmen.
Literatur:
[1] Andersen KG et al.: The proximal origin of SARS-CoV-2 Nature Medicine (2020) Published: 17 March 2020
[2] Zhao-Rong Lun and Liang-Hu Qu: Animal-to-Human SARS-associated Coronavirus Transmission? Emerg Infect Dis. 2004 May; 10(5): 959. doi: 10.3201/eid1005.040022 PMCID: PMC3323218 PMID: 15216845
Bildquelle: Timothy Meinberg, unsplash