Um im drohenden Corona-Chaos nicht den Kopf zu verlieren, hat sich eine Gruppe von Medizinern zusammengeschlossen. Sie wollen ihre eigene Idee von Notfallmanagement verwirklichen.
Unter dem Namen Mediziner für Mediziner gegen COVID19 haben sich bereits über 500 Menschen zusammengefunden. In einem Chatroom versuchen sie, gemeinsam den Überblick in der derzeitigen Informationsflut zu behalten. Hier werden Erfahrungen ausgetauscht und neue Studienergebnisse besprochen. Die Idee dazu entstand auf Twitter.
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Das Ziel? Wenn die Krankenhäuser überlastet sind, wird es viel medizinisches Personal geben, das kaum oder wenig Erfahrung in der intensivmedizinischen Versorgung haben wird. Und trotzdem werden sie kritische Patienten betreuen müssen. Therapien wie Beatmung oder Atemwegssicherung müssen dann eventuell von Nicht-Spezialisten durchgeführt werden.
„Eine kleine Klinik auf dem Land würde in solche Fällen normalerweise die Uni-Klinik kontaktieren und einen kritischen Patienten dorthin verlegen“, erklärt der Narkosedoc. Aber wenn gleichzeitig sehr viele COVID-19-Patienten versorgt werden müssen, sei das nicht mehr möglich.
In diesen Fällen kann man sich hilfesuchend an die Community wenden: Der Plan ist es, mit einer ersten Version einer Web App Mitte nächster Woche online zu gehen. Hier kann man in der Rubrik „Ask an Expert“ den Patientenfall schildern, ein paar Anamnesedaten nennen und schreiben, welche Therapiemaßnahmen bisher probiert wurden. Einer der Fachärzte, zum Beispiel ein erfahrener Intensivmediziner, wird sich dann per Telefon melden und mit seiner Expertise unterstützen.
Derzeit gibt es Arbeitsgruppen zu den Themen Beatmung und Intensivmedizin, Notaufnahme, Hygiene und Eigenschutz, ambulante Versorgung und Präklinik, also Rettungsdienst.
„Unsere Inhalte sollen in erster Linie praktische Hilfestellungen für Beschäftigte im Gesundheitswesen sein, also für Ärzte, Pflegekräfte, Rettungsdienstpersonal und sonstige Behandler“, erklärt Dr. Florian Kienle, Anästhesist und Notarzt. Er ist zuständig für die Themen Atemweg und Öffentlichkeitsarbeit bei dem Projekt.
Die Aufbereitung erfolgt derzeit als interaktive Website, auf der dieses Fachpersonal entsprechende Hinweise kostenlos abrufen kann. Die Seite soll durch die verschiedenen Behandlungstationen des kritisch kranken Patienten führen: von der ambulanten Vorstellung bis zur Therapie auf der Intensivstation.
Da die Situation derzeit mit extremem Zeitdruck verbunden ist, möchte das Team versuchen, möglichst schnell hilfreiche Inhalte an das betroffene Personal zu bringen. „Dabei sollen die etablierten Basics der Intensivmedizin im Fokus stehen und an die neue COVID-19-Situation angepasst werden“, sagt Kienle. Man bediene sich dabei bestehender Leitlinien und kreiere daraus praktische Tipps und Handlungsanweisungen. „Das ganze enspricht dem FOAM-Prinzip, also ‚Free open access medical education‘.
Das Projekt hat derzeit so viel Zulauf, dass sie zunächst Ressourcen sortieren müssen. Bei weiterem Bedarf sollen aber konkrete Aufrufe gestartet werden. DocCheck wird darüber informieren.
Bildquelle: Andrei Slobtsov, unsplash