Ein paar Wochen hatten wir, um uns auf COVID-19-Patienten in unserer Praxis einzustellen. Jetzt ist es so weit. Und ich frage mich: Reichen die aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung aus?
Es ist angekommen: Nach wochenlangem Hin-und-Her-Überlegen, wie vieleMasken man im Vorfeld besorgen könnte und müsste. Nach einemDesinfektionsmittelspender, der erst viel später ausgeliefert werden konnte. Nach gefühlt tausenden gelesenen Artikeln, Newslettern und immer wieder neuen Informationen zum Thema. Und jetzt ist auch bei uns in der Region klar: SARS-CoV-2 ist da.
In den vergangenen zwei Wochen haben wir schon versucht, eine Menge Dinge zu organisieren: Schutzkittel, Masken und ein Schild an der Tür, damit die Patienten anrufen, wenn sie möglicherweise erkrankt sein könnten. Was unsere Patienten auch toll gemacht haben, das muss ich mal so sagen. Es kamen wirklich viele Anrufe und wenn wir die anwesenden Patienten bei Atemwegsinfekten gefragt haben, ob sie in einem möglichen Corona-Gebiet waren, gab es sogar oft die (teils etwas pikierte) Antwort: „Also Frau Doktor, dann hätte ich doch angerufen!“
Wir hatten auch das Glück, dass wir die Patienten sehr schnell an ein nahe gelegenes Abstrichzentrum vermitteln konnten, so dass wir auch viele Patienten per Telefon direkt in die Diagnostik weitervermitteln konnten.
Seit Montag haben wir trotzdem nochmal radikal umgestellt. Ich habe am Sonntag mit meinem Chef telefoniert, der die letzten zwei Wochen in Urlaub war. Wir haben schon mal besprochen, was in der Praxis so gemacht worden ist, in seiner Abwesenheit.
Und was man im Zweifel noch machen müsste. Wer vom Personal muss besonders geschützt werden? Können wir wirklich eine räumliche oder zeitliche Trennung vornehmen?
Zeitlich finde ich nur begrenzt möglich, weil einfach oft genug Patienten dann doch zum falschen Zeitpunkt kommen, wenn man bislang keine entsprechende Infektsprechstunde hatte. Also doch räumlich? Wir haben in unserer Praxis nicht zwei gut erreichbare Zugänge. Da wir aber im Erdgeschoss sind, wäre vielleicht ein Pavillon mit Seitenwänden vor dem Fenster eine Option. Von dort aus dann durch das Fenster untersuchen? Nicht nur datenschutzmäßig ein Albtraum …
Was genau haben wir an Schutzausrüstung und wie kriegen wir es so hin, dass wir sie möglichst optimal nutzen? FFP-Masken wiederverwenden? Soll man aus hygienischen Gründen eigentlich nicht, aber besser wiederverwendet als keine Masken mehr haben und Ins-Gesicht-Husten-Lassen.
Das Schwierige ist, dass man das Gefühl hat, seinen eigenen Weg finden zu müssen. Es fehlt eben einfach an Erfahrung – mit dieser Situation, mit diesem Virus umzugehen. Und es fehlt an Schutzkleidung, Informationen, Pneumokokkenimpfstoffen und vielem mehr. Immer wieder und immer noch.
Ich glaube aber auch, dass es nicht sinnvoll ist, jetzt die Schuldkarte hin und her zu schieben. Natürlich wären andere Verhältnisse (mehr Schutzmasken, mehr Desinfektionsmittel, am besten ein vorbereiteter Impfstoff oder wirksame Medikamente) wünschenswert, aber naja – das haben wir jetzt einfach nicht.
Wir sind es schlicht gewöhnt, dass alles immer in ausreichender Menge da ist, aber das ist in dieser Situation einfach nicht gegeben. Außerdem hätte auch VOR so einer Krise niemand einen solchen Überschuss finanzieren wollen. Man denke mal an das Geschrei, was an „Geld verbrannt worden sei“ bei der Schweinegrippenpandemie 2009, als im Hauruckverfahren Impfungen und Medikamente bestellt wurden, die im Nachhinein gar nicht so benötigt und ungenutzt weggeschmissen wurden.
Damals wurde (zu?) schnell reagiert, die Pandemie ausgerufen und am Endehat man gemerkt, dass es für die meisten nicht sooo schlimm war, wie initial befürchtet. Deswegen will niemand wieder der Buhmann sein, was ja auch verständlich ist. Dabei glaube ich schon, dass die einzig sinnvolle Lösung jetzt erstmal sein kann, die Wege zu beschreiten, die definitiv in anderen Ländern erfolgreich waren. Das ist vor allem eine Minimierung der direkten Kontakte.
In der Praxis setzen wir das schon um: Alle nicht akut notwendigen Dinge (CheckUps, Vorsorgeuntersuchungen) werden verschoben. Das Wartezimmer ist faktisch außer Betrieb, die Patienten warten draußen mit entsprechendem Abstand oder gleich im Auto und werden dann auf dem Handy angerufen, wenn sie reinkommen können.
Für uns Ärzte gilt: Allein ins Zimmer, möglichst zügig Anamnese (eine der ersten Fragen sollte direkt nach Aufenthalt in Risikogebieten oder Kontakten mit Corona-Patienten sein), dann zügig diagnostizieren, soweit möglich, und dann möglichst zackig wieder raus. Unsere Telefonliste platzt regelmäßig aus allen Nähten, sodass wir schon überlegt haben, dass auf Dauer ein Arzt nur telefoniert.
Und wir schaffen gerade die Infrastruktur für eine Videosprechstunde. Ob das alles reicht? Mal sehen.
Bildquelle: Hello Revival, unsplash