Ein Kommentar chinesischer Kardiologen über den möglichen Einfluss von ACE-Hemmern auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 im Magazin „Nature“ sorgte für Beunruhigung. Nun tauchen neue Verdachtsmomente auf.
In ihrem Kommentar vom 5.3.2020 drücken sich die Autoren um Ying-Ying Zheng bewusst vorsichtig aus. Ihrer Meinung nach sollten „die Sicherheit und die potenziellen Effekte einer antihypertensiven Therapie mit ACE-Hemmern oder Sartanen bei Patienten mit COVID-19 sorgsam erwogen werden.“ Dahinter steckt eine delikate Vermutung: Können ACE-Hemmer durch eine Überexpression von ACE2 dazu führen, dass das Coronavirus Wirtszellen leichter infizieren kann? Dieser Rezeptor dient dem Erreger bekannterweise als Eintrittspforte.
Deutsche Kardiologen gaben zunächst Entwarnung, u.a. unser Kanalexperte Stephan Waller. Denn momentan gibt es für diesen Zusammenhang keine Evidenz. Er ist spekulativ. Gerade in der jetzigen Situation wäre es keine gute Idee, Hochdruckpatienten ohne triftigen Grund auf andere Medikamente umzustellen.
Inzwischen sind aber neue Verdachtsmomente aufgetaucht. Wie Bloomberg vor einigen Tagen auf der Basis von Daten des italienischen ISS berichtete, litten mehr als 75 % der bis dahin in Italien verstorbenen Patienten an einer Hypertonie. Das macht stutzig, da eine gut eingestellte Hypertonie eigentlich keinen bedeutsamen Risikofaktor für den Verlauf einer Virusinfektion darstellt.
Im Interview mit dem renommierten Journal JAMA ließ Anthony Fauci, der Direktor des National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID), deshalb verlauten, dass man sich diesen Zusammenhang „sehr genau anschauen müsse“. Die italienischen Daten lassen zur Zeit keinen Rückschluss darüber zu, unter welcher Medikation die verstorbenen Hypertonie-Patienten standen. Der Online-Dienstleister Statista weist ACE-Hemmer und andere RAS-Wirkstoffe jedoch als mit Abstand meistverordnete Antihypertensiva in Italien aus. Ein möglicher Zusammenhang sollte daher möglichst schnell durch weitere Studien beleuchtet werden.
Die Quellen sind an den entsprechenden Textstellen direkt verlinkt
Bildquelle: Pixabay Caranfinwen