Die Weltgesundheitsorganisation plant eine globale Studie zur Behandlung von COVID-19-Patienten. Das Projekt soll in Rekordzeit realisiert werden. Und jedes Krankenhaus kann teilnehmen.
Kürzlich gab die World Health Organization (WHO) bekannt, dass sie in Anbetracht der Lage eine weltweite wissenschaftliche Studie ins Leben rufen werden, wie unter anderem das Magazin Science berichtet. Bei dem globalen Gemeinschaftsversuch sollen die vier vielversprechendsten Wirkstoff-Kandidaten im Kampf gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 getesten werden. Der Grundgedanke des auf den Namen SOLIDARITY getauften Versuchs soll sein, dass Kliniken auf der ganzen Welt dafür möglichst unbürokratisch ihre Daten zur Verfügung stellen können.
Die Organisatoren einigten sich auf folgende bereits vieldiskutierten Wirkstoff-Kandidaten: Das Virostatikum Remdesivir, die Malaria-Medikamente Chloroquin und Hydroxychloroquine, eine Kombination aus den zwei HIV-Medikamenten Lopinavir und Ritonavir sowie letztere Kombination ergänzt durch Interferon-beta. Auch wenn manche dieser Substanzen wie beispielsweise die HIV-Medikamente bereits in vorherigen kleineren Studien ernüchternde Ergebnisse zeigten, so möchte die WHO sie trotzdem noch einmal mit höheren Patientenzahlen testen. Da die Arzneimittel bereits für andere Indikationen zugelassen sind, fällt die Entwicklung und Sicherheitstestung weg, was einen enormen Zeitgewinn bedeutet.
Es ist eine Gelegenheit, die die WHO nicht verstreichen lassen möchte: eine Möglichkeit, robuste wissenschaftliche Daten von tausenden Patienten aus duzenden von Ländern während einer Pandemie zu erheben. Das Studiendesign soll deshalb möglichst simpel gehalten werden, damit auch Kliniken, die momentan so gut wie keine Kapazitäten mehr haben, trotzdem Daten senden können.
Sollte eine Substanz gefunden werden, die das Virus tötet oder zumindest die Ausbreitung verlangsamt, so wäre sie nicht nur für kritisch kranke COVID-19-Patienten, sondern auch als Prophylaxe für das Krankenhauspersonal denkbar. Auch eine Verkürzung der stationären Dauer von Patienten würde in der gegenwärtigen Situation einen großen Vorteil bringen.
Wer teilnehmen möchte, kann die Daten seines COVID-19-positiven Patienten auf der WHO-Webseite eingeben. Vorher muss der Patient eine Einwilligungserklärung unterschreiben, die gescannt und zusammen mit Befunden zu Vorerkrankungen und einer Auflistung der im Krankenhaus zur Verfügung stehenden Medikamente eingesendet wird. Die Webseite ordnet den Patienten dann randomisiert einer der Behandlungsgruppen zu. Im weiteren Verlauf muss der behandelnde Arzt lediglich die Tage der stationären Unterbringung vermerken, ob bei dem Patienten Sauerstoff bzw. eine Beatmung zum Einsatz kam und ob er die Klinik geheilt verließ oder gar verstarb.
Das Studiendesign ist durch die fehlende Doppelverblindung nicht optimal. Entsprechend sind Placebo-Effekte bei Patienten, die einen der Wirkstoffe bekommen, nicht auszuschließen. Dessen sind sich die Wissenschaftler bewusst. Eine andere Möglichkeit gibt es jedoch in Anbetracht des Zeitpunktes und der kurzen Vorbereitungszeit nicht.
Das Studiendesign soll flexibel bleiben. So werden die Ergebnisse laufend in Abständen von den Wissenschaftlern evaluiert, sowie Kandidaten bei fehlendem Effekt aussortiert und durch andere ersetzt. Bei Bedarf soll auch das Influenza-Medikament Favipiravir aus Japan zum Einsatz kommen.
In Europa ist bereits eine ähnliche Studie geplant: Ein französisches biomedizinisches Forschungsintitut möchte das Projekt Discovery ins Leben rufen. Die Wissenschaftler wollen mit dem gleichen Studiendesign über 3.000 Patienten aus mindestens sieben europäischen Ländern erfassen. Bis auf das Malariamedikament Chloroquin sollen dabei dieselben Wirkstoffe gestestet werden.
„Auch andere Länder oder Klinik-Zusammenschlüsse könnten Ergänzungsstudien durchführen“, so Ana Maria Henao Restrepo, eine Amtsärztin der WHO-Abteilung ‚Immunization Vaccines and Biologicals‘ im Science Magazin. „Sie könnten zusätzliche Parameter wie Blutgasanalysen, Bildgebung oder virologische Tests ergänzen.“ Nun gilt: Keine Zeit verlieren und weiter Informationen sammeln, denn nur so kommen wir womöglich einer Therapieoption gegen SARS-CoV-2 näher.
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