Mit SARS-CoV-2 infizierte Patienten zeigen zu Beginn der Infektion die höchste Viruskonzentration im Rachen. Im zeitlichen Verlauf nimmt die Viruslast im Rachen ab. So lautet das Ergebnis einer Kohortenstudie.
Normalerweise werden zur Überwachung von Atemwegsinfektionen nasopharyngeale Abstriche entnommen und analysiert. Diese diagnostische Methode ist aber für die meisten Patienten relativ unangenehm. Des Weiteren kann bei der Entnahme ein Husten- bzw. Niesreiz ausgelöst werden, was zur Aerosolbildung und somit zu einem erhöhten Infektionsrisiko für das Gesundheitspersonal führt. Daher untersuchten nun die Autoren einer Studie in zwei Krankenhäusern in Hongkong Speichelproben aus dem hinteren Oropharynx und ermittelten zusätzlich die Serumantikörperspiegel.
Die Ergebnisse der Kohortenstudie wurden im Fachjournal „The Lancet“ veröffentlicht. Eingeschlossen wurden insgesamt 23 Patienten, die nachweislich an COVID-19 erkrankt waren. Die Patienten wurden nach Instruktion gebeten, sich morgens vor dem Zähneputzen und dem Frühstück stark zu räuspern und anschließend eine Speichelprobe abzugeben. Bei intubierten Patienten wurde statt Speichel ein endotracheales Aspirat entnommen.
Anschließend analysierten die Ärzte die serielle Viruslast mittels quantitativer Reverse Transkriptase-PCR (RT-qPCR). Die IgG- und IgM-Antikörperspiegel gegen zwei Proteine von SARS-CoV-2 wurden mittels Enzymimmunoassay (EIA) gemessen.
Bei ihren Untersuchungen fanden die Ärzte heraus, dass bei den meisten Patienten die Viruslast von SARS-CoV-2 im Rachenraum der Patienten zum Zeitpunkt ihrer Krankenhausaufnahme am höchsten war und im Verlauf stetig abnahm. Hierbei korrelierte das Alter der Patienten mit der Virus-Spitzenlast. So wiesen ältere Patienten eine höhere Viruskonzentration im Rachen auf als Jüngere.
Den Autoren zufolge deutet die hohe Viruslast zu Beginn der Krankheit darauf hin, dass SARS-CoV-2 leicht übertragen werden kann, selbst wenn die Symptome relativ mild sind. Dieser Befund könnte die effiziente Übertragung von Mensch zu Mensch erklären, die bereits mehrfach beschrieben wurde. Dass vor allem bei älteren Patienten eine hohe Viruskonzentration nachweisbar war, könnte zudem die oftmals schweren Verläufe von COVID-19 in dieser Patientengruppe erklären. Ein Grund für die hohe Viruslast ist möglicherweise eine mit dem Alter einhergehende reduzierte Immunantwort.
Die meisten Patienten entwickelten zehn Tage nach Auftreten der ersten Symptome Antikörper. Trotzdem beobachten die Autoren, dass bei einem Drittel der Patienten noch 20 Tage oder länger nach Beginn der stationären Behandlung virale RNA in den Speichelproben nachweisbar war. Ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Schwere der Infektion und der Dauer der Virusausscheidung wurde indes nicht festgestellt.
Die lange Nachweisbarkeit könnte allerdings, so die Autoren, eine Herausforderung in Hinblick auf die begrenzte Verfügbarkeit von Isolierzimmern im Krankenhaus darstellen. Demnach würden die betroffenen Patienten möglicherweise erst dann entlassen werden, wenn die virale RNA in den Atemwegsproben nicht mehr nachweisbar ist. Deshalb seien weitere Studien gerechtfertigt, um festzustellen, ob die Patienten lebende Viren abgeben und damit als infektiös zu werten sind.
Zudem weisen die Autoren auf Schwächen in ihrer Studie hin. So wurde nur eine kleine Patientenkohorte in die Studie aufgenommen. 48 Prozent der teilnehmenden Patienten litten an Komorbiditäten, womit der Anteil an Patienten mit chronischen Erkrankungen höher lag als in anderen Studien beschrieben. Zudem waren die Daten zur Viruslast und zum Antikörpertiter nicht täglich verfügbar. Des Weiteren kann bei den oropharyngealen Speichelproben nicht unterschieden werden, ob das Virus aus dem Nasopharynx oder aus Sekreten der unteren Atemwege stammt. Ein weiterer Faktor, der die Sensitivität des Testverfahrens beeinflusst haben könnte ist, dass sich einige Patienten möglicherweise nicht effektiv genug geräuspert haben, um Sekrete aus der Tiefe des Rachens auszuhusten.
Dennoch unterstreichen die Ergebnisse, nach Angaben der Autoren, die Bedeutung einer strengen Infektionskontrolle und des frühzeitigen Einsatzes potenter antiviraler Mittel, allein oder in Kombination, für Personen mit hohem Risiko. Zudem biete die Entnahme von Proben aus dem hinteren Oropharynx eine für Patienten und Mitarbeiter des Gesundheitswesens akzeptablere Möglichkeit der Diagnostik, als die sonst durchgeführten Abstriche.
Quelle: © Kelvin Kai-Wang To et al. / The Lancet
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