Die Bundesregierung hat ein Reformkonzept für das Medizinstudium 2020 angekündigt, das Maßnahmen für die Bewerberauswahl, Praxisnähe und zur Stärkung der Allgemeinmedizin festlegen soll. Jetzt hat der Medizinische Fakultätentag bisher bekanntgewordene Reformkonzepte bewertet.
„Kaum etwas ist so reguliert und komplex wie das Medizinstudium in Deutschland. Dreht man an einer Schraube, verstellen sich alle Folgeschrauben“, sagt Prof. Dr. Heyo Kroemer, Präsident des Medizinischen Fakultätentages (MFT). Die spätere Berufswahl oder die Verteilung der Ärzte im Land über das Medizinstudium lösen zu wollen, sei nicht der richtige Ansatz. Für den MFT ist es nicht ersichtlich, warum Studienbewerber, die außerhalb der Auswahlverfahren der Hochschulen zugelassen werden, später Allgemeinmediziner werden und sich für eine Praxis auf dem Land entscheiden sollten. Eine womögliche Quote, die sicherstellt, dass genügend Allgemeinmediziner ausgebildet werden, erscheine in der Praxis nicht umsetzbar. Sie würde bedeuten, dass sich die jungen Studienbewerber gleich zu Beginn ihres Studiums auf ihre spätere berufliche Tätigkeit festlegen müssten.
Derzeit berufen sich zahlreiche Studienplatzbewerber, die von den Universitäten abgelehnt wurden, auf das Kapazitätsrecht und versuchen, ihre Studienplätze einzuklagen, so der MFT. Weiter heißt es: Für diese rechtlichen Auseinandersetzungen müssten die Universitäten jährlich personelle und finanzielle Ressourcen im siebenstelligen Bereich aufwenden. Eine Lösung wäre, die Zahl der Studienplätze, wie in anderen Staaten üblich, bedarfsgerecht und verbindlich festzulegen. Das würde auch das Problem der Teilzulassungen auflösen, die dazu beitragen, dass Studenten die Universität nach dem ersten Teil ihres Studiums verlassen müssen.
Laut dem MFT sei es auch erforderlich, die Wartezeitquote für die Zulassung zum Medizinstudium auf 20 Prozent zu verringern. Der Studienerfolg sei bei Studierenden mit Zulassung durch Wartezeiten nachweislich geringer. Auch könnte die Teilnahme am Losverfahren auf maximal drei Versuche verringert werden. So würde sich die Zahl der Wartenden nicht endlos vergrößern und die Wartezeit sich nicht weiter verlängern. Die Abiturnoten und der Eignungstest TMS hätten sich als ein rechtssicheres Zulassungskriterium bewährt. Dennoch sollte die Zulassung nicht ausschließlich von der Abiturnote abhängen. Als Ergänzung könnte ein zweistufiger, bundesweit einheitlicher Eignungstest eingeführt werden. Nach einer ersten bundeseinheitlichen Aufnahmeprüfung könnten die Hochschulen dann in einem eigenen Auswahlverfahren die Studierenden auswählen.
Aktuell seien an mehr als der Hälfte der Medizinischen Fakultäten Lehrstühle und Professuren für Allgemeinmedizin eingerichtet. Dadurch könne das Fach bei Studierenden, die sich wissenschaftlich mit Fragestellungen der Allgemeinmedizin beschäftigen oder darin promovieren wollen, zusätzliche Aufmerksamkeit erfahren. Für den MFT sei es allerdings nicht plausibel, die Versorgungsstrukturen im ländlichen Raum so zu verbessern. Hier würde es sich um ein Verteilungsproblem handeln, das nur durch eine Steigerung der Attraktivität des Berufs gelöst werden könnte. Die Rahmenbedingungen in der Fläche müssten verbessert und die Gehaltsstrukturen angepasst werden. Für eine umfassende allgemeinmedizinische Lehre sei zudem der Aufbau eines Netzwerkes Akademischer Lehrarztpraxen unter der akademischen Leitung der Professur erforderlich. Dieser Aufwand wäre allerdings mit zusätzlichen Kosten verbunden, die in den Landeszuschüssen für Forschung und Lehre eingeplant werden müssten.
In kaum einem Studiengang sei die Verknüpfung von Theorie und Praxis so gegeben wie im Medizinstudium. Insbesondere in den Modellstudiengängen, aber auch an den anderen Ausbildungsstandorten werde eine Reihe von Maßnahmen zur Förderung der Praxisnähe bereits praktiziert. Dazu gehören z. B. die Einrichtung sogenannter „Skillslabs“ und Lehrkliniken, die Stärkung kommunikativer Kompetenzen oder die gemeinsame Ausbildung mit Gesundheitsfachberufen. Die vom MFT verabschiedeten Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkataloge Medizin (NKLM) und Zahnmedizin (NKLZ) setzten ebenfalls auf eine praxisnahe Ausbildung. Bei aller Vermittlung praktischer Fähigkeiten dürfe aber auch nicht vergessen werden, dass das Studium der Medizin ein wissenschaftsbasiertes Studium sei und weiterhin sein sollte. So solle auch die Vermittlung wissenschaftlicher Kompetenzen zu den Kernaufgaben der Universitäten gehören. Insofern begrüßt die Deutsche Hochschulmedizin (DHM) die Initiative des Wissenschaftsrates, die wissenschaftliche Kompetenz im Medizinstudium zu stärken.