In Russland zählt man derzeit circa 840 Corona-Fälle. Und das, obwohl das Land eine lange Grenze mit China teilt. Dafür gibt es deutlich mehr Pneumonie-Fälle als im Vorjahr. Eine russische Ärztin wirft der Regierung Vertuschung vor.
Laut Johns Hopkins University gibt es in Russland 840 bestätigte Corona-Fälle und nur drei Todesfälle (11:15 Uhr, 26.03.2020). Das ist extrem wenig, wenn man die lange Grenze mit China bedenkt. Anastasia Vasilyeva, eine russische Ärztin, hat nun vor einigen Tagen auf Twitter und Youtube darauf hingewiesen, dass die russischen Behörden die Todesursachen nicht korrekt angeben würden. Sie sagt: Obwohl die Patienten an COVID-19 versterben, gehen sie nicht in die Statistik ein. Als Todesursache würde dann eine gewöhnliche Lungenentzündung angegeben.
Vasilyeva ist Vorsitzende der Gewerkschaft „Allianz der Ärzte“ und eng verbunden mit Oppositionspolitiker Alexej Nawalny. In ihrem Youtube-Video (auf russisch) spricht sie außerdem davon, dass die russische Regierung lüge und Informationen unter den Tisch fallen lasse. Sie ruft Ärzte deshalb dazu auf, die tatsächlichen Zustände in Russland bekannt zu machen. Inbesondere prangert sie an, dass die Regierung keinerlei Arbeitsschutzmaßnahmen für medizinisches Personal ergreife. Ärzte müssten Masken und Kittel mit nach Hause nehmen und dort waschen. So schleppe man das Virus mit nach Hause und infiziere Angehörige. Sie hält deshalb sogar dazu an, nicht mehr zur Arbeit zu gehen, bis die Regierung geeignete Arbeitsschutzmaßnahmen ergreift.
Laut der Nachrichtenagentur Reuters, die sich auf Angaben von Rosstat, dem russischen Amt für Statistik, beziehen, gab es in Moskau in diesem Jahr deutlich mehr Fälle von Lungenentzündungen im Januar als sonst. Um 37 Prozent ist die Rate hier im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. In Moskau gab es somit 6.921 Patienten, die an einer Lungenentzündung erkrankten – im Vorjahr waren es nur 5.058. Insgesamt sind die Pneumonie-Fälle auch russlandweit um 3 Prozent angestiegen.
Trotzdem gab Moskaus Gesundheitsministerium am 13. März bekannt, im Januar und Februar hätte es weniger Fälle von Lungenentzündungen gegeben (8 Prozent bzw. 7 Prozent weniger). Auf Nachfrage, wie es zu den Diskrepanzen der Daten käme, wurde nicht geantwortet.
Die Angaben von offiziellen russischen Behörden werden von russischen und internationalen Medien gleichermaßen in Frage gestellt. Auch auf Twitter macht sich Ungläubigkeit über die russische Version der Corona-Krise breit:
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Putin reagiert nun aktuell mit zweierlei Maßnahmen auf die Situation: Er erklärte gestern (Mittwoch) die kommende Woche für arbeitsfrei und verschob außerdem die Abstimmung über die Verfassungsreform, die für den 22. April geplant war. Die Reform würde ihm ermöglichen, bis 2036 im Amt zu bleiben. Er begründete beide Schritte mit der Corona-Pandemie. Zuvor hatte es über Nacht einen Anstieg von 163 neuen Coronafällen gegeben.
Am Dienstag hatte er in voller Schutzmontur ein Krankenhaus besucht, in dem Corona-Patienten behandelt werden. Sein Auftritt hat weltweit unzählige Memes generiert.
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