Im Mausmodell wurde eine bestimmte Klasse von Immunzellen ins Gehirn eingeschleust, um die Plaquebildung bei einer Alzheimer-Erkrankung rückgängig zu machen. Dies blieb jedoch ohne Erfolg. Kann eine zusätzliche Stimulation der Immunzellen deren Funktion verbessern?
Einen Ansatzpunkt, um den Verlauf einer Alzheimer-Erkrankung zu beeinflussen, könnten Zellen des Immunsystems bieten, die sich um die Plaques sammeln. Diese Immunzellen gehen nicht effizient gegen die zunehmende Plaquebildung vor und könnten durch aktivere Zellen ersetzt werden. Eine Forschergruppe unter der Leitung von Dr. Jonas Neher in der Abteilung für Zellbiologie Neurologischer Erkrankungen am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung der Universität Tübingen und des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen hat diesen Ansatz im Laborversuch an Mäusen überprüft.
Das Ergebnis dämpft die Erwartungen: Gezielt ins Gehirn eingeschleuste Immunzellen konnten die Plaquebildung nicht rückgängig machen. Vielmehr schienen sich die neuen Immunzellen unter dem Einfluss des umgebenden Gewebes in gleicher Weise zu verändern wie ihre Vorgänger. Als Modell zur Untersuchung der Alzheimer-Erkrankung nutzten die Wissenschaftler gentechnisch veränderte Mäuse, die zwei wichtige Krankheitsmerkmale aufweisen: unlösliche Ablagerungen des Proteins Beta-Amyloid als Plaques im Gehirn und die Immunreaktion auf diese Ablagerungen, die durch die Ansammlung bestimmter Immunzellen um die Plaques gekennzeichnet ist. Durch Kreuzung der Alzheimer-Mäuse mit anderen Mäusen wurden die im Hirn ansässigen Immunzellen spezifisch zerstört. Wie die Forschungsgruppe in früheren Studien bereits für gesunde Mäuse beschrieben hatte, wanderte innerhalb weniger Wochen eine bestimmte Klasse von Immunzellen vom Blut in das Gehirn der Alzheimer-Mäuse ein. Sie besiedelten, ähnlich wie die ursprünglichen Immunzellen, alle Hirnareale. „Allerdings blieben die Immunzellen zunächst gleichmäßig verteilt und wanderten nicht zu den Plaques, das hatten wir nicht erwartet“, berichtet Neher.
Im Laufe der Zeit ähnelten die neu eingewanderten Immunzellen den ursprünglichen in Gestalt und Form immer mehr und lagerten sich schließlich auch um die Plaques herum an. „Jedoch blieb das Ausmaß der Plaquebildung selbst nach vielen Monaten unverändert“, sagt der Wissenschaftler. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das umliegende Gewebe die Immunzellen umprogrammiert hat.“ Die neu eingewanderten Zellen schienen die Funktion der ursprünglichen Immunzellen übernommen zu haben. Dies sei insofern überraschend, als die im Hirn ansässigen und die aus dem Blut stammenden Immunzellen Abkömmlinge unterschiedlicher Herkunft sind. Allerdings stünden die Ergebnisse im Einklang mit anderen kürzlich publizierten Studien, bei denen die aus dem Blut stammenden Immunzellen sich nach Transplantation in verschiedene Organe an das jeweilige Gewebe angepasst haben. „Wir haben dies nun erstmals auch im Gehirn beobachtet“, sagt Neher. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine alleinige Erneuerung der Immunzellen des Gehirns wahrscheinlich nicht als Therapie der Alzheimer-Erkrankung in Frage kommt – eine Option, die derzeit für verschiedene neurologische Krankheiten diskutiert wird. „Es ist jedoch trotzdem vorstellbar, dass sich die Funktion der erneuerten Immunzellen durch eine zusätzliche Stimulation verbessern lässt“, erklärt Neher. Dies wollen die Forscher in künftigen Studien klären. Originalpublikation: Replacement of brain-resident myeloid cells does not alter cerebral amyloid-β deposition in mouse models of Alzheimer’s disease Nicholas H. Varvel et al.; Journal of Experimental Medicine, doi: 10.1084/jem.20150478; 2015