Ein Junge hat seit 2 Wochen Bauchschmerzen und erbricht immer wieder Blut. Schnell ist klar: Sowohl Speiseröhre als auch Magen zeigen akute Ulzerationen. Am Ende ist alles eine Frage der Konzentration.
Ein 15-jähriger Junge stellt sich mit substernalen und epigastrischen druckempfindlichen Schmerzen und blutigem Erbrechen, das vor etwa 2 Wochen das erste Mal aufgetreten ist, im Krankenhaus vor.
Initiale Labortests zeigen eine leichte Leukozytose (20,7/mm3), das C-reaktive Protein ist erhöht auf 9,81 mg/dL und der Hb-Wert beträgt 16,1 g/dL. Aufgrund der Symptomatik des Jungen ordnen die Ärzte sofort ein kontranstmittelverstärktes CT des Abdomens an. Auf den Bildern sehen sie eine Schwellung des distalen Oesophagus und der Cardia des Magens.
Um diesen Befund genauer zu untersuchen, führen sie anschließend eine Magenspiegelung durch. Hier sehen die Ärzte das ganze Ausmaß: Entlang der gesamten Speiseröhre zeigen sich tiefe longitudinale Ulcera mit Einblutungen. Im Bereich der Cardia finden sie eine verruköse Gastritis – jedoch ohne akute Veränderungen der Mucosa. Das gleiche Bild zeigt sich auch im oberen Bereich des Magens.
Die histopathologische Untersuchung einer Gewebsbiopsie bestätigt die bisherigen Befunde einer akuten Ulzeration. Doch die Ursache ist weiter fraglich. Es kann weder eine Pilzinfektion, noch eine Infektion mit Cytomegalie- oder Herpesviren nachgewiesen werden.
Auch alle weiteren Tests auf verschiedene Viren und Tuberkulose fallen negativ aus. Lediglich das Immunglobulin E ist erhöht, was die Ärzte allerdings auf die allergische Rhinitis des Jungen zurückführen können.
Woher kommen nur die massiven Veränderungen von Oesophagus und Magen? Auf Nachfrage gibt der Junge an, er würde seit einem Monat jeden Morgen etwa 100-150mL eines Granatapfelessigs trinken – ohne diesen groß zu verdünnen. Wie die Ärzte herausfinden beträgt der pH-Wert dieses Essigs 2,6 bei einem Säuregehalt von 2,7% und der Hersteller empfiehlt eine Verdünnung im Verhältnis 3:1 von Wasser und Essig. Insbesondere Granatapfelessig erfreut sich zunehmender Beliebtheit – er gilt als gesundheitsfördernde Ergänzung der täglichen Ernährung, obwohl es dafür keine eindeutigen klinischen Beweise gibt. Der pH-Wert handelsüblicher Essige liegt meist unter 5,5 - es handelt sich um schwache Säuren. Dennoch können sie Verätzungen im Verdauungstrakt hervorrufen. Das Ausmaß hängt vor allem von der Kontaktzeit, dem pH-Wert, dem konsumierten Volumen, der Säurekonzentration und der Form des Essigs ab.
So oder so war es in diesem Fall zu viel des fragwürdigen Guten. Insbesondere der lange Einnahmezeitraum von über einem Monat und das relativ große, täglich konsumierte Volumen dürften entscheidende Rollen gespielt haben - auch wenn es sich um eine schwache Säure handelte.
Dem Jungen wird für eine Woche eine transnasale Magensonde zur enteralen Ernährung gelegt und er wird für eine Woche mit Corticosteroiden behandelt. Zudem wird ihm alle 8 Stunden Cefamezin – ein Cephalosporin der ersten Generation – verabreicht. Dadurch ist der CRP-Wert bereits am dritten Tag auf 0,84 mg/dL gefallen. Eine Endoskopie am siebten Tag sorgt dann für Erleichterung: Die mucosalen Läsionen sind Geschichte.
Text- und Bildquelle: Chang et al. / Clinical Endoscopy
Bildquelle: pixnio