Mit der 4D-Flussbildgebung gelingt es forschenden Radiologen, nicht nur Gefäße akkurat darzustellen. Sie beobachten den Blutfluss, nehmen Stenosen unter ihre Lupe oder untersuchen Aneurysmen. Ein Start-up bietet sogar cloudbasierte Leistungen für die Praxis an.
Wollen Ärzte den Blutfluss schnell, genau und vor allem nicht invasiv darstellen, bestehen nach wie vor große Defizite. Entsprechende Verfahren wären interessant, um Herzerkrankungen oder Thromben nachzuweisen, weit bevor es zu klinisch relevanten Ereignissen kommt. Zum Hintergrund: Herz-Kreislauf-Erkrankungen stehen an erster Stelle der Todesursachenstatistik, speziell chronische ischämische Herzkrankheiten, akute Myokardinfarkte und Herzinsuffizienzen. Forscher testen jetzt, welche Vorteile die 4D-Flussbildgebung (4D-MRI) bieten könnte. Was steckt dahinter?
Als Basis dient ein altbekanntes Prinzip. Seit 1981 kennen Radiologen die Bildgebung per 2D-MRT. „Wissenschaftlern ist es gelungen, das Verfahren auf vier Dimensionen auszudehnen“, sagt Privatdozent Dr. med. Alex Frydrychowicz im Gespräch mit DocCheck. Er arbeitet als Oberarzt an der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Frühe Experimente waren durchaus erfolgreich. Aufgrund großer Datenmengen und langsamer Computer kamen 4D-Scans aber nicht in der Praxis an. Heute haben zumindest forschende Einrichtungen bessere Kapazitäten – und die Methode erstrahlt in neuem Glanz. Aus naturwissenschaftlicher Sicht verwirrt der Begriff „vierdimensional“. Dahinter verbergen sich spezielle Pulssequenzen, um zeitlich aufgelöste Vorgänge im Körper abzubilden. Gleichzeitig wird der Blutfluss in drei Raumrichtungen dargestellt – nicht nur durch eine Schicht.
Die 4D-Flussbildgebung hat Potenzial. Verschiedene Arbeitsgruppen untersuchen weltweit neue Fragestellungen, darunter den Fluss am Herzen und in verschiedenen Gefäßen des Körpers. Einige Beispiele: Wie stark ist die Zugkraft des Blutes an der Gefäßwand? Wie groß sind Druckdifferenzen bei Stenosen? Oder welche Blutbestandteile bleiben trotz Austreibung in der Herzkammer? Häufig stellen Radiologen den Blutfluss in der Hauptschlagader bei Klappenveränderungen dar, speziell bei bikuspiden Aortenklappen. Kollegen aus Stanford und San Diego haben 4D-Scans eingesetzt, um den gesamten Brustkorb darzustellen [Paywall], speziell bei angeborenen Erkrankungen. Dazu gehören Fallot-Tetralogien, Aortenisthmusstenosen und Lungenvenenfehlmündungen. Betroffene leben teilweise bis in das frühe Erwachsenenalter ohne körperliche Beeinträchtigung. Umso wichtiger ist für Kardiologen, mögliche Risiken schon im Vorfeld abzuschätzen. „Alleinstellungsmerkmal der Technik ist, dass man sich nicht vorher auf einzelne oder zahlreiche Schichten festlegen muss, von der man Informationen erhält“, erklärt Alex Frydrychowicz. „Vielmehr lassen sich auch nachträglich an beliebiger Stelle im untersuchten Abschnitt quantifizierbare Daten erhalten.“ Besonders interessant sind 4D-Verfahren für die Leber- und Oberbauchbildgebung: „Da ist man dankbar, im Nachhinein die Messung machen zu können, und nicht vorher am Scanner die Lokalisation sicher bestimmen zu müssen.“ Ein weiteres Beispiel sind thorakalen Aneurysmen. „Manche werden riesig, andere rupturieren früher. Wie es zu diesen Unterschieden kommt, wissen wir derzeit nicht.“
Frydrychowicz erklärt dies vor allem mit eingeschränkten Möglichkeiten zur Validierung und mit longitudinalen Studien: „Wir sind noch nicht in dem Bereich, wo wir den diagnostischen Zugewinn bewiesen haben.“ Zum Vergleich: Geht es um ein neues Verfahren der Brustbildgebung, zählt ein chirurgisch entfernter Tumor als unumstößliches Kriterium. „Aber für Faktoren wie die Wandschubspannung, also die Zugkraft des Blutes an der Gefäßwand, gibt es solche Möglichkeiten nicht.“ Ein zentrales Feld, an denen neben der weiteren Validierung und neben Einzelbeobachtungen daher schwerpunktmäßig gearbeitet wird, ist der Aufbau von Multicenter-Studien. Experten erwarten weitere Veröffentlichungen in den nächsten Jahren.