Die verfeinerte Strukturanalyse des Hitzeschockproteins Alpha B-Crystallin zeigt, wie dieses an das Beta-Amyloid bindet. Für Wechselwirkungen benutzt es eine bestimmte unpolare Beta-Faltblatt-Struktur, die Beta-Amyloide auseinander hält und bestehende Fibrillen versiegelt.
Hitzeschockproteine sind in der Lage, eine große Zahl ganz unterschiedlicher fehlgefalteter Proteine zu binden und vor dem Verklumpen zu bewahren. Hierzu gehören unter anderem auch jene potentiell krank machenden Eiweiße, die sich bei neurodegenerativen Krankheiten in der Zelle ansammeln – etwa die Beta-Amyloide, die sich in den Nervenzellen von Alzheimerkranken zu langen Fibrillen zusammen lagern. Auch mit anderen Erkrankungen des Nervensystems wie der Parkinson Krankheit oder Multiple Sklerose werden kleine Hitzeschockproteine in Verbindung gebracht. Zwar ist noch unklar, welche Rolle diese Katastrophenhelfer in den einzelnen Krankheitsbildern genau spielen. Bereits jetzt werden sie jedoch als Vorbild für Wirkstoffe neuer Medikamente diskutiert. Wäre der genaue Mechanismus, mit dem die kleinen Hitzeschockproteine an ihre krank machenden Partner binden bekannt, könnten Wissenschaftler dieses Wissen dazu nutzen um Wirkstoffe zu entwickeln, die diesen Mechanismus verwenden, um die Krankheiten zu bekämpfen.
Nun ist es Forschern um Bernd Reif, Professor an der Fakultät für Chemie der Technischen Universität München (TUM) und Gruppenleiter am Helmholtz-Zentrum München, gelungen, genau diesen Mechanismus aufzuklären. Mit Hilfe einer verfeinerten Technik der Festkörper-Kernspinresonanzspektroskopie (Festkörper-NMR) konnten sie im kleinen Hitzeschockprotein Alpha B-Crystallin erstmals jene Stellen identifizieren, mit denen das Protein an das Beta-Amyloid bindet. Elektronenmikroskopische Aufnahme von beta-Amyloid in Anwesenheit von alphaB-Crystallin (rechts) und ohne (links). © Andi Mainz / TUM Es ist die erste direkte Strukturanalyse eines vollständigen kleinen Hitzeschockproteins in Interaktion mit einem Bindungspartner, denn die Katastrophenhelfer machen es ihren Beobachtern nicht leicht. „Alpha B-Crystallin liegt in mehreren Formen gleichzeitig vor, die aus 24, 28, oder 32 Untereinheiten bestehen und in denen fortlaufend Einheiten ausgetauscht werden“, erklärt Reif. „Außerdem hat es ein großes Molekulargewicht. All diese Faktoren machen eine Strukturanalyse sehr schwierig.“ Räumliche Struktur des alphaB-Crystallins, eine hexamere Untereinheit ist farblich heraus gehoben. © Andi Mainz / TUM In enger Zusammenarbeit mit den TUM-Kollegen Johannes Buchner, Professor für Biotechnologie und Sevil Weinkauf, Professorin für Elektronenmikroskopie fand Reif heraus, dass das kleine Hitzeschockprotein für Wechselwirkungen mit dem Beta-Amyloid eine bestimmte unpolare Beta-Faltblatt-Struktur in seiner Mitte benutzt und auf diese Weise an gleich zwei Stellen in dessen Aggregationsprozess eingreifen kann: Zum einen bindet es an einzelne gelöste Beta-Amyloide und verhindert, dass sich diese zu Fibrillen zusammen lagern. Zum anderen „versiegelt“ es bereits bestehende Fibrillen, so dass sich hier keine weiteren Amyloide mehr anlagern können.
Das Wissen über den genauen Bindemechanismus des alpha B-Crystallins an das Alzheimer-Protein ist besonders für jene Forscher interessant, die es sich zum Ziel gesetzt haben mit Hilfe sogenannter „Protein Engineering“ Methoden neue Wirkstoffe zu entwickeln, die spezifisch an das Beta-Amyloid und ähnliche Proteine binden. Würde man das neu gefundene Beta-Faltblatt Motiv als Baustein in solche künstlich entworfenen Proteine einbauen, könnte deren Bindefähigkeit an die krank machenden Fibrillen verbessert werden – ein erster Schritt zu neuen Wirkstoffen gegen Alzheimer und andere neurodegenerative Krankheiten.
In zukünftigen Arbeiten wollen sich die Wissenschaftler um Reif die N-terminale Region des αB-Crystallins näher ansehen. Sie bindet jene Proteintypen, die sich anders als das Beta-Amyloid ungeordnet zusammen lagern.
Originalpublikation: The Chaperone alpha B-Crystallin Deploys Different Interfaces to Capture an Amorphous and an Amyloid Client Andi Mainz et al.; Nature Structural Molecular Biology, doi: 10.1038/nsmb.3108; 2015