Im Februar 2015 sorgte das Foto eines gestreiften Kleides für reichlich Diskussionsstoff. Neurowissenschaftler zeigen auf, dass unterschiedliche Hirnaktivierungen – besonders frontal und parietal gelegener Hirnareale – mit der optischen Täuschung einhergehen.
Ein Kleid – zwei Wahrnehmungen. Für die einen ist es schwarz-blau, für die anderen weiß-gold. Im Rahmen einer fMRT-Studie ist die Neuroplasticity-Gruppe der Neurologischen Klinik am Bergmannsheil dem Rätsel um das Kleid (hier im Bild) auf den Grund gegangen. Binnen kürzester Zeit hatte das Kleidungsstück die Aufmerksamkeit von Medien und Wissenschaftlern auf sich gezogen. Viele Forschungsinstitute haben sich inzwischen dem Phänomen gewidmet und die Psychophysik sowie die Einzelheiten der Bildkomponenten untersucht. Das Bochumer Team um Erstautorin Lara Schlaffke konnte die bisherigen Erkenntnisse, im Hinblick auf die durch die Wahrnehmung differierenden Vorgänge im menschlichen Gehirn, erweitern.
An der Studie nahmen Probanden teil, die das Kleid weiß-gold bzw. schwarz-blau wahrnehmen. Beide Gruppen betrachteten das Kleid, während sie im Kernspintomographen lagen. Als Kontrollbedingung betrachteten die Teilnehmer zudem Farbquadrate, welche die exakt gleichen Farbeigenschaften wie das Foto des Kleides aufwiesen. Bei der Benennung der Farben dieser Quadrate, sowie bei der Analyse der Hirnaktivierung während der Betrachtung der Farbquadrate, zeigten sich keine Gruppenunterschiede. Die Wissenschaftler analysierten anschließend die Hirnaktivierungen beider Gruppen während der Betrachtung des Kleides und konnten zeigen, dass im direkten Vergleich ein und dasselbe Foto, je nach Wahrnehmung, zu unterschiedlichen Hirnaktivierungen führte. Alle Probanden, die das Kleid weiß-gold wahrnahmen, zeigten zusätzliche Aktivierungen vor allem in frontal und parietal gelegenen Hirnarealen. Frontale Regionen sind besonders bei höheren kognitiven Leistungen involviert, während parietale Areale visuelle Informationen aus dem Okzipitallappen verarbeiten.
Das aktuelle Phänomen bietet einzigartige Forschungsoptionen zur Untersuchung visueller Illusionen: Zum ersten Mal öffnet sich der Wissenschaft die Möglichkeit, eine Kontrollgruppe bei zweideutigen Wahrnehmungen zu untersuchen. Zuvor gab es keine optische Täuschung, bei der es exakt zwei Wahrnehmungen gibt, die nicht willentlich manipuliert werden können. Vor diesem Hintergrund konnte die Bergmannsheiler Forschergruppe Hirnareale identifizieren, die optische Täuschungen herbeiführen. „Dieses Ergebnis erweitert unser Wissen über illusionäre Verarbeitungsprozesse im Gehirn. Mit Hilfe dieser Forschungsarbeit konnten beteiligte Hirnareale quantifiziert und ein Grundstein für weitere Forschungsvorhaben im Bereich der visuellen Verarbeitung gelegt werden", so die Forscherinnen. Originalpublikation: The Brain’s Dress Code: How The Dress allows to decode the neuronal pathway of an optical illusion Lara Schlaffke et al.; Cortex, doi:10.1016/j.cortex.2015.08.017; 2015