Macht Aluminium krank? Diese Frage ist ein gesellschaftliches Reizthema. Vor allem, weil wir Aluminiumsalze häufig verwenden, etwa als Antitranspirant in Deos, aber auch in Impfstoffen als Wirkverstärker. Ein Versuch, den Einsatz kritisch und evidenzbasiert zu bewerten.
Eine zu hohe Aluminiumbelastung wird seit längerer Zeit kritisch gesehen. Die Hersteller von Deodorants werben deshalb mit der „Aluminiumfreiheit“. Hat eine Substanz erst mal den „Buhmannstempel“ aufgedrückt bekommen, werden Diskussionen oft unsachlich, unkritisch und fachlich ungenau geführt. Aussagen, wie „Aluminium verursacht Brustkrebs“ sind ein klassiches Beispiel für Medizinpopulismus. Die Studienlage dazu ist jedoch sehr heterogen. Zahlreiche Faktoren sind notwendig, die Studienergebnisse zu bewerten. War es eine Tierversuchstudie? Um welche Aluminiumverbindung handelt es sich? Ist der Aufnahmeweg in die Praxis übertragbar? Für Aluminium hat die orthomolekulare Medizin noch keinen physiologischen Nutzen im Körper gefunden. Eisen, Chrom, Mangan, Zink hingegen benötigt der Körper als Spuren- oder Mengenelemente. Aluminiumionen weisen eine hohe Affinität zu Proteinen des Körpers auf und können sich mit diesen vernetzen. Bei einer chronischen Dialyse kann es zum Beispiel zur sogenannten Dialyse-Enzephalopathie kommen. Man nimmt an, dass die Erhöhung des Aluminiumgehaltes im Plasma und die Ablagerung von Aluminium im Hirngewebe zu einer schleichenden Aluminiumintoxikation führt. Patienten sind desorientiert und verwirrt, im weiteren Verlauf kann hochgradige Demenz auftreten. Auch bei Morbus Alzheimer ist die Rolle von Aluminium nicht zweifelsfrei geklärt. Es wurden zwar vereinzelt bei Alzheimerpatienten erhöhte Aluminiumkonzentrationen im Gehirngewebe gemessen, ob Aluminium der Auslöser ist oder die veränderte Pathogenesezu einer Kumulation führt, ist jedoch nicht bekannt.
Aluminum wird neuerdings auch mit der Pathogenese Autistischer Störungen in Verbindung gebracht. Mold et al. haben von Autistischen Patienten den Aluminiumgehalt im Hirngewebe ermittelt. Der Aluminiumgehalt war bei einem 15-jährigen Jungen erschreckend hoch, die Forscher sprechen von „historisch“ hohen Werten bis zu 8,74 μg/g. Üblich sind etwa 1μg/g Aluminium. Den Studienautoren ist es unerklärlich, wie ein so junger Patient ohne nachgewiesene Exposition derart hohe Werte aufweisen kann. Der Großteil des Aluminiums wurde in nicht-neuronalen Zellen identifiziert, einschließlich Mikroglia und Astrozyten. Aluminium wurde auch in Lymphozyten in den Hirnhäuten und in ähnlichen Entzündungszellen in den Gefäßen gefunden. Nach Ansicht der Forscher gab es eindeutige Hinweise darauf, dass Entzündungszellen, die stark mit Aluminium belastet sind, über die Hirnhautmembranen und die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn gelangen. In der Studie wurde das Gehirn nur einer einzigen weiblichen Probandin untersucht, bei ihr war der Aluminiumspiegel erheblich geringer als bei den männlichen Patienten. Auch wenn die Studie mit 10 Probanden sehr klein ist, kann sie als alarmierendes Risikosignal gelten. Viele Fragen bleiben noch offen.
Aluminiumsalze werden seit etwa 80 Jahren erfolgreich als Adjuvanzien in inaktivierten Impfstoffen und Toxoidimpfstoffen zur Wirkungsverstärkung eingesetzt. Bei diesen Impfstoffen wäre eine effektive Impfung ohne die Unterstützung nur schlecht oder gar nicht möglich. Die Impfantigene wie beispielsweise Diphtherie- oder Tetanustoxoide sind dabei an schwerlösliches Aluminiumhydroxid oder -phosphat adsorbiert und werden deshalb als Adsorbatimpfstoffe bezeichnet. Der Großteil des resorbierten Aluminiums wird vornehmlich über die Niere sehr schnell aus dem Plasma eliminiert. Langzeitbeobachtungen deuten aber an, dass ein kleiner Teil der aufgenommenen Menge mit so extrem langer Halbwertszeit wieder ausgeschieden wird, dass es zu einer Nettoakkumulation kommt. Modellschätzungen ergeben, dass etwa ein bis zwei Prozent einer resorbierten Dosis im Organismus akkumulieren. Die darüber lebenslang angehäufte Gesamtbelastung (body burden) mit Aluminium wird auf etwa 35 (5–60) mg Aluminium geschätzt. Zu anderen Aluminiumquellen zählen etwa als Zusatzstoff in Lebensmitteln, aus Verpackungsmaterial, als Aluminiumfluorid in Zahnpasten oder in Sonnenschutzmitteln. Unter der Annahme von 20 Impfungen mit einem maximalen Aluminiumgehalt von 1,25 mg/Dosis und zweiprozentiger Retention ergibt sich eine Gesamtmenge von 0,5 mg Aluminium als Beitrag zur lebenslangen Aluminiumbelastung des Körpers. Der Beitrag von Impfungen zur geschätzten lebenslangen Nettoakkumulation von Aluminium im Organismus ist daher im Vergleich zur kontinuierlichen Aufnahme von Aluminium aus anderen Quellen gering und vor dem Hintergrund des Nutzens der Impfungen vertretbar.
Das Europäische Arzneibuch (Ph. Eur.) begrenzt in der Monografie "Impfstoffe für den Menschen" den Aluminiumgehalt auf 1,25 mg pro Dosis. Für Impfstoffe besteht auf europäischer Ebene die Empfehlung, enthaltene Adjuvanzien quantitativ in der Produktinformation anzugeben. Die in der Zulassung festgelegte Aluminiummenge in einer Impfstoffdosis kann daher in den Fach- und Gebrauchsinformationen der einzelnen Impfstoffe nachgelesen werden. Das GACVS (Global Advisory Committee for Vaccine Safety der WHO) hat mehrfach, zuletzt 2012, die wissenschaftliche Datenlage zu aluminiumhaltigen Impfstoffen beurteilt und betont, dass die Vergleichsberechnungen der FDA die Evidenz der Sicherheit von aluminiumadjuvantierten Impfstoffen aus klinischen Prüfungen und epidemiologischen Studien unterstützen. Entspannt sieht das Paul-Ehrlich-Institut die Problematik: „Der Beitrag einer Behandlung mit aluminiumhaltigen Therapieallergenen zur lebenslangen Akkumulation von Aluminium im Organismus ist im Vergleich zur Aufnahme von Aluminium aus anderen Quellen als gering einzustufen. Vor dem Hintergrund des Nutzens der Therapie für den Patienten ist er vertretbar.“ Derzeit liegen keine Gründe vor, die Praxis der Anwendung von zugelassenen Therapieallergenen, die mit Aluminium adjuvantiert sind, zu ändern, so das Institut. Aufgrund einer Vorgabe des Pädiatrieausschusses (PDCO) bei der Europäischen Arzneimittelagentur werden in nächster Zeit in klinischen Studien an Erwachsenen auch Daten zur Aluminiumbelastung erhoben. Sollten sich aus diesen Studien relevante neue Erkenntnisse ergeben, wird das Paul-Ehrlich-Institut diese bei der Bewertung der Sicherheit von Aluminium in Therapieallergenen berücksichtigen.
Nicht nur Aluminium wird dafür verantwortlich gemacht, das Risiko für Autismus zu steigern. Auch aluminiumfreie Impfungen standen in Verdacht, die Prävalenz Neurologischer Erkrankungen zu steigern. 1998 veröffentlichen A.J. Wakefield et al eine Publikation in Lancet und stellten dort einen Zusammenhang zwischen der Masernimpfung und Magen-Darm-Symptomen sowie Entwicklungsstörungen bei zwölf Kindern her. Obwohl die Arbeit methodisch höchst zweifelhaft war, löste sie doch eine über viele Jahre anhaltende Kontroverse darüber aus, ob die MMR-Impfung (Masern, Mumps, Röteln) die Ursache von Autismus und/oder Morbus Crohn sei oder nicht. Im Gegensatz zu anderen Vaxinen enthalten MMR-Imfpstoffe kein Aluminium.Im Jahr 2004 veröffentlichte ein amerikanischer Forscher Hinweise auf einen Interessenkonflikt des Hauptautors, A.J. Wakefield. In der Folge distanzierten sich zehn der 13 Koautoren und die Zeitschrift Lancet von der Publikation. In einer Metanalyse der Cochrane-Library konnte kein kausaler Zusammenhang zwischen der MMR-Impfung und Autismus oder Morbus Crohn erkannt werden. Im Jahr 2011 schließlich wurde die Publikation von Lancet vollständig zurückgezogen. Große Untersuchungen, unter anderem eine Metaanalyse in der Zeitschrift Vaccine, bei der insgesamt 1,3 Millionen Menschen einbezogen wurden, zeigen deutlich: Autismus tritt bei Geimpften und Ungeimpften mit der gleichen Häufigkeit auf. Es gibt keinen Beweis dafür, dass die MMR-Impfung oder auch in Verdacht geratene Bestandteile von Impfstoffen wie das quecksilberhaltige Konservierungsmittel Thiomersal Autismus erzeugen. Den elterlichen Bedenken, die Fülle an Impfungen würde das Immunsystem des Säuglings überlasten, sind nicht zutreffend. Ein Kind ist jeden Tag Tausenden von Antigenen ausgesetzt, das vorgeschlagene Impfschema dagegen enthalte insgesamt nur rund 300 Antigene. Nach Schätzungen des Kinderarztes Paul Offit von der University of Pennsylvania würden selbst bei einer gleichzeitigen Gabe von elf Impfstoffen zeitweise nur etwa 0,1 Prozent des kindlichen Immunsystems beeinträchtigt.
Nachdem der Einsatz und die Erforschung von Wirkverstärkern viele Jahre eher unsystematisch verlief, wird aktuell versucht, gezielt Adjuvanzien zu entwickeln, um auch gegen schwierige Kandidaten wie etwa HIV, Tuberkulose oder Malaria erfolgreich impfen zu können. Thomas Ebenesen ist auf der Suche nach Adjuvanzien, die eine Impfung über die Schleimhäute, zum Beispiel gegen Grippe, HIV oder Hepatitis, möglich machen. Ein solcher Impfstoff würde auch lokal einen guten Immunschutz auslösen. Das ergibt Sinn, da die Viren wie das HIV oder auch die Influenza-Viren über die Schleimhäute in den Körper eindringen. In der Hoffnung, dass dieser Beitrag nicht als Munition für Impfgegner herhalten muss, sollte dennoch ein waches Auge auf Aluminium und zerebrale Erkrankungen gehalten werden – dies aber kritisch und evidenzbasiert und frei von Medizinpopulismus.
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