Welcher Maskentyp sollte wann von wem getragen werden? Darüber herrscht nicht nur in der Bevölkerung Unsicherheit. Selbst Experten sind sich nicht einig.
Dass Menschen in Deutschland inzwischen freiwillig mit selbstgebastelten Behelfsmasken aus Stoff aus dem Haus gehen, hätten vor einigen Wochen wohl nur die wenigsten geglaubt. Schließlich hieß es lange Zeit von Behörden und Virologen, dass das Tragen von Masken für die allgemeine Bevölkerung nicht notwendig sei. Zumal nicht zum Eigenschutz, denn diesen böten nur FFP2-Masken – und die sollen medizinischem Personal vorbehalten bleiben.
Selbst unter Ärzten herrscht Uneinigkeit darüber, welcher Maskentyp wann von wem getragen werden sollte. Das liegt wohl nicht nur daran, dass sich die Gesundheitsbehörden in ihren Empfehlungen selbst nicht einig sind.
Gesundheitsbehörden müssen ihre Empfehlungen an den aktuellen Wissensstand anpassen. Und das Wissen über die Übertragungswege von SARS-CoV-2 wächst stetig. So fanden Wissenschaftler schon zu Beginn der Corona-Krise Hinweise darauf, dass infizierte Personen, die keine Symptome zeigen, dennoch ansteckend sein könnten.
Schnell machte man diese Personen für die rasche weltweite Aubreitung des Virus verantwortlich. Und plötzlich wurde hierzulande vermehrt diskutiert, ob das Tragen von Masken nicht doch hilfreich in der Eindämmung der Virusausbreitung sein könnte – Fremdschutz ist hier das Stichwort. Andere Länder machen es bereits vor. In Südkorea etwa hat man die Corona-Krise gut im Griff. Experten vermuten, dass das mitunter auf das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit zurückzuführen ist.
Auch die möglichen Infektionswege von SARS-CoV-2 spielen in der Diskussion eine Rolle. Bislang war die Annahme, dass sich das Virus wie andere respiratorische Viren hauptsächlich über größere Tröpfchen verbreitet, die man bei Husten oder Niesen ausstößt. Doch so einfach ist die Sache wohl nicht. Wissenschaftler im NEJM beschrieben als eine der ersten, dass infektiöse SARS-CoV-2-Partikel in Aerosol-Tröpfchen (<5 μm) bis zu drei Stunden in der Luft verbleiben können.
Diese kleineren virusbeladenen Tröpfchen, so zeigen Wissenschaftler in einer anderen kürzlich in Nature erschienene Studie, können auch über den normalen Atemstoß verbreitet werden. Hier untersuchten die Forscher allerdings kein SARS-CoV-2, sondern andere respiratorische Viren. Mit einem speziellen Gerät namens Gesundheit-II haben die Forscher den Ausstoß kleiner und großer virusbeladener Tröpfchen gemessen. Das Tragen einer Maske reduzierte die gemessene Zahl dieser Tröpfchen über den Atem, Husten und Niesen signifikant. Auch andere Wissenschaftler sind der Meinung, dass die Virusverbreitung über den Atem nicht zu vernachlässigen sei.
Von Tröpfchen- und Partikelgrößen hält etwa Lydia Bourouiba nicht besonders viel. In einem JAMA-Artikel macht die MIT-Professorin darauf aufmerksam, dass Viruspartikel – egal in welcher Art Tröpfchen – sehr wahrscheinlich als Bestandteil einer chaotischen Gaswolke in Räumen lange umherschweben. (Wir berichteten.) Da bringen Abstandsregelungen eher wenig, das Tragen von Masken vermutlich mehr.
Die Studienlage zu den möglichen Verbreitungswegen von SARS-CoV-2 sind zwar nicht völlig eindeutig. Doch die wachsende Zahl an Studien, die darauf hindeuten, dass eine aerogene Infektion im Bereich des Möglichen liegt, hat die National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine in den USA zu einem besonderen Schritt bewogen. Die Experten des Kommitees haben am 1. April einen Brief an das Büro für Wissenschaft und Technik des Weißen Haus gesendet, in dem sie auf die Ergebnisse zahlreicher Studien und die Möglichkeit der aerogenen Infektion hinweisen.
Am 3. April aktualisierte daraufhin das Center for Disease Control ihre Empfehlung bezüglich des Maskentragens in der Öffentlichkeit. Das CDC empfiehlt nun allen US-Bürgern das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in öffentlichen Räumen. Zuvor galt die Empfehlung nur für Personen mit Symptomen. So sieht es bis dato auch die WHO, sie hat ihre Empfehlung bislang nicht geändert.
Und wie ist die Situation in Deutschland? Das RKI empfiehlt derzeit keine generelle Mundschutzpflicht wie sie etwa inzwischen in Österreicht oder einigen Städten in Deutschland gilt. In gewissen Situationen könnte das vorsorgliche Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aber dazu beitragen, das Übertragungsrisiko zu vermindern, stellt das RKI fest. Das seien etwa öffentliche Räume, in denen der Sicherheitsabstand nicht eingehalten werden kann, z.B. ÖPNV, Lebensmittelgeschäfte oder auch der Arbeitsplatz. Das RKI legt dabei großen Wert auf die Unterscheidung der Maskentypen. Dazu liefert das BfArM eine gute Übersicht:
MNS und filtrierende Halbmasken sollen laut RKI ausschließlich medizinischem Personal vorbehalten sein, um die knappen Ressourcen zu schonen.
Doch auch bei der Benutzung der Masken in der Praxis oder Klinik, ist man sich nicht so recht einig, was man benutzen sollte. So sprechen sich die US-amerikanische Behörde Center for Disease Control and Prevention (CDC) und das europäische Pendant ECDC klar für die Benutzung von FFP2- bzw. N95-Masken (beide entsprechen im Wesentlichen den gleichen Anforderungen) bei der Routine-Behandlung von COVID-19-Patienten aus. Die WHO empfiehlt lediglich OP-Masken, sofern keine Aersosol produzierenden Maßnahmen (z.B. Intubation) durchgeführt werden müssen.
Laut einer aktuellen Meta-Analyse sollen filtrierende Halbmasken den OP-Masken bei Routine-Untersuchungen am Patienten tatsächlich nicht überlegen sein. In den vier analysierten randomisiert kontrollierten Studien untersuchten Forscher, welcher Maskentyp (N95- oder OP-Maske) das medizinische Personal bei Routine-Untersuchungen von Patienten mit Atemwegserkrankungen besser vor einer Infektion schützt. Wie sich herausstellte, machte der Maskentyp dabei keinen Unterschied. Im Vergleich hatten sich ähnlich viele Mitarbeiter infiziert – egal, ob sie OP- oder N95-Masken trugen. Die Autoren schließen daraus, dass eine N95-Maske nicht besser vor einer Infektion schützt als eine normale OP-Maske – zumindest im Rahmen von Routine-Untersuchungen.
Worin sich die Gesundheitsbehörden definitiv einig sind: Filtrierende Halbmasken bei der Intuabtion oder Bronchoskopie von COVID-19-Patienten sind unabdingbar. Und für die allgemeine Bevölkerung gilt: Auf keinen Fall sollte das Tragen eines MNS oder einer Mund-Nasen-Bedeckung dazu führen, dass Abstandsregeln nicht mehr eingehalten oder Husten- und Niesregeln bzw. die Händehygiene nicht mehr umgesetzt werden.
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