Deutschlands Pathologen widersprechen dem Robert-Koch-Institut. Innere Leichenschauen sollen ihrer Ansicht nach nicht vermieden werden – im Gegenteil. Obduktionen könnten wichtige Erkenntnisse über COVID-19 liefern.
Der Bundesverband Deutscher Pathologen (BDP) und die Deutsche Gesellschaft für Pathologie (DGP) fordern möglichst zahlreiche Obduktionen von Corona-Verstorbenen. Sie widersprechen damit der Empfehlung des Robert-Koch-Instituts (RKI), in diesen Fällen innere Leichenschauen zu vermeiden. Im Gegenteil sei es notwendig, weitere Erkenntnisse über die Erkrankung und deren oft erstaunlich fulminanten Verlauf zu gewinnen und offene Fragen zu beantworten.
Im besten Fall ließen sich daraus weitere Therapieoptionen ableiten – darin bestehe der Wert der Obduktion für die Lebenden, so Prof. Karl-Friedrich Bürrig, Präsident des Bundesverbandes. Die Obduktion sei in hohem öffentlichem Interesse und sollte deshalb nicht vermieden, sondern im Gegenteil so häufig wie möglich durchgeführt werden.
Schon bei Ausbruch des Marburg-Virus, bei HIV, bei SARS, MERS und BSE haben Befunde aus der Pathologie und Neuropathologie geholfen, die klinischen Krankheitsbilder zu verstehen und damit auch therapeutische Konzepte beeinflusst. Dies muss auch für COVID-19 gelten. Dieses Anliegen hat auch Prof. Tobias Welte vom Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL) und Direktor der Klinik für Pneumologie und Infektionsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) an die DGP gerichtet.
In der RKI-Empfehlungen vom 24. März 2020 heißt es unter anderem: „Eine innere Leichenschau, Autopsien oder andere aerosolproduzierende Maßnahmen sollten vermieden werden. Sind diese notwendig, sollten diese auf ein Minimum beschränkt bleiben.“ Diese Empfehlung richte, so Bürrig, das Augenmerk auf die Vermeidung von infektionsgefährlichen Aerosolen bei der Leichenöffnung. Das sei ein wichtiger Aspekt, aber als Entscheidungsgrundlage zu schmal. Zumal bei den Obduktionen nach allen einschlägigen Vorgaben der Schutz des medizinischen und nicht-medizinischen Personals sichergestellt wird.
BDP und DGP richteten sich in Form eines Briefs an die RKI-Leitung. Die Fachgesellschaften bitten das RKI darum, die Gesundheitsbehörden entsprechend zu informieren.
An der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen werde zudem gerade ein Register für COVID-19-Obduktionen im deutschsprachigen Raum eingerichtet, so der Vorsitzende der DGP, Prof. Gustavo Baretton. In Aachen werden die Obduktionsinformationen gesammelt.
Die dezentrale Asservierung von Untersuchungsgewebe stellt sicher, dass es für Spezialuntersuchungen zur Verfügung steht. DGP und BDP planen einen schnellen Wissenstransfer nicht nur innerhalb des Fachs Pathologie, sondern gerade auch an Lungenfachärzte sowie Intensivmediziner und ebenso an die zuständigen Behörden.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Bundesverbands Deutscher Pathologen e.V.
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