Sollte die Kontaktbeschränkung während der Corona-Pandemie bald nur noch für ältere Menschen und jene mit Vorerkrankungen gelten? Befürworter dieses Ansatzes gibt es sowohl in der Politik als auch in der Wissenschaft.
Die Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS) veröffentlichte kürzlich eine Stellungnahme zur empirischen Basis von Entscheidungen zu Maßnahmen bezüglich der SARS-CoV-2 Pandemie. Darin geht es vor allem um die vieldiskutierte Frage, wann und wie die aktuellen Maßnahmen gelockert werden können und ob Kontaktverbote und Ausgangsbeschränkungen vorrangig nur noch für Risikogruppen gelten sollen.
Virologe Alexander Kekulé ist Verfechter dieser Methode. „Der Plan für den Lockdown-Exit liegt seit 2 Wochen auf dem Tisch: 1. Schutz der Risikogruppen 2. Smart distancing (Tests, Masken, angepasste Hygieneregeln) 3. Kontrollierte Durchseuchung der Bevölkerung. Wir brauchen endlich eine Taskforce, die das umsetzt“, twitterte er vor über einer Woche.
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Auch Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer machte Anfang vergangener Woche in der Frankfurter Rundschau auf sich aufmerksam, indem er sich für eine Quarantäne vor allem für „Alte und Kranke“ aussprach. „Es wäre ein neuer Generationenvertrag, bei dem die Jüngeren arbeiten gehen, die Infektion auf sich nehmen, während die Älteren und Kranken auf soziale Kontakte verzichten“, sagte der Grünen-Politiker am Montag der Zeitung TAZ.
Zwar geht die GMDS auf das Thema der Kontakteinschränkung für Risikogruppen ein, doch eine Empfehlung will sie nicht aussprechen – im Gegenteil warnt sie vor übereilten Entscheidungen: „[Die] Unsicherheit, die vor allem bei der momentan nicht ausreichenden Datenlage groß ist, kann in der Konsequenz dazu führen, dass sich keine eindeutigen Handlungsempfehlungen ableiten lassen.“ Bei den gegenwärtigen Daten und Modellen zu SARS-CoV-2 und COVID-19 sei zwischen eher einfach gehaltenen statistischen Beschreibungen der aktuellen Lage und komplexeren dynamischen Modellen zu unterscheiden.
Aus einer einfachen statistischen Beschreibung der COVID-19-Todesfälle in Italien ergebe sich jedoch, dass dort sehr viele ältere Indiviuen betroffen seien. Daraus ließen sich weitere Maßnahmen zur selektiven Kontaktbeschränkung für Risikogruppen ableiten. Insgesamt hält sich die GMDS jedoch mit Empfehlungen zurück. „Gerade weil wir als Fachgesellschaft auch das Prinzip evidenzbasierter Medizin vertreten, wollen wir in dieser Situation Entscheidungsträger*innen zur vorsichtigen Interpretation aufrufen.“
Bildquelle: Sam Wheeler, unsplash