Eine 65-Jährige stellt sich mit Müdigkeit, Fieber, trockenem Husten und abdominellen Beschwerden in der Notaufnahme vor. Sie hatte Kontakt zu einem COVID-19-Patienten.
In der Notaufnahme beträgt ihre Atemfrequenz 28/min und ihre Sauerstoffsättigung 89 Prozent bei Raumluft. Die Atemgeräusche sind bilateral vermindert; Rasselgeräusche sind auskultierbar. Die Untersuchung des Abdomens ist unauffällig. Initiale Labortests zeigen einen CRP-Wert von 55 mg/L und die Leberwerte deuten auf eine Cholestase hin. Der SARS-CoV-2-Abstrich ist positiv. Die Patientin wird daraufhin stationär aufgenommen und erhält Sauerstoff und intravenös Antibiotika sowie Heparin.
An Tag vier stellen die Ärzte dann plötzlich eine auffällige Veränderung ihres klinischen Erscheinungsbildes fest: Die Beine sind von kleineren Einblutungen in die Haut übersät. Doch damit nicht genug – aus ihrer Nase tritt Blut aus. Woher kommt diese plötzliche Veränderung?
Symbolbild, Quelle: © KaritaReidla
Erneute Labortests liefern schnell eine Erklärung: Die Patientin hat mit 66.000 Blutplättchen/µl eine Thrombozytopenie entwickelt. Sofort stoppen die Ärzte die Behandlung mit Heparin und Antibiotika.
Doch am folgenden Tag ist die Plättchenzahl weiter gesunken und auch an Tag sieben ist keine Besserung sichtbar. Die Ärzte entscheiden, der Patientin Immunglobuline bei einer Dosis von 1g/kg Körpergewicht zu verabreichen. Daraufhin steigt die Plättchenzahl zwar auf 1000/µl, doch die Hautläsionen schreiten weiter fort. Es erfolgt eine zweite Infusion mit Immunglobulinen.
Am neunten Tag gibt die Patientin plötzlich frontale Kopfschmerzen an. Im CT zeigt sich eine subarachnoidale Mikroblutung. Sofort bekommt sie eine Thrombozytentransfusion sowie 100 mg Prednisolon und Eltrombopag. Am zehnten Tag sind die Kopfschmerzen vorbei, die Plättchenzahl liegt wieder bei 10.000/µl. Die Hautläsionen verschwinden an Tag 13.
Die Vermutung liegt nahe, dass es sich um eine Immun-Thrombozytopenie handelte, die durch die COVID-Infektion verursacht wurde. Ein wachsames Auge für ungewöhnliche Komplikationen bei COVID-19 ist also unabdingbar.
Quelle: Zulfiqar et al. / NEJMBildquelle: Maria Bobrova, unsplash