Derzeit untersuchen Mediziner, ob ein Mittel gegen Sodbrennen auch gegen COVID-19 eingesetzt werden könnte. Die Studienautoren hielten sich zunächst bedeckt – aus gutem Grund.
Bei der Behandlung älterer Patienten haben chinesiche Mediziner etwas ungewöhnliches beobachtet: Auffällig viele Patienten, die COVID-19 überlebt hatten, waren arm. Auf der Suche nach einer Erklärung haben die Mediziner über 6.000 Krankenakten durchsucht und sind dabei auf einen möglichen Zusammenhang mit einem Medikament gegen Sodbrennen gestoßen.
Wie Science berichtet, fanden die Ärzte heraus, dass viele COVID-19-Patienten an Sodbrennen bzw. der Refluxkrankheit litten. Diejenigen Patienten, die das vergleichsweise günstige Famotidin einnahmen, überlebten dabei eher als Patienten, die das teurere Medikament mit dem Wirkstoff Omeprazol verschrieben bekamen. Zwar ist es nur eine Beobachtung und der Unterschied in der Sterblichkeit nicht signifikant (27 % unter Omeprazol vs. 14 % unter Famotidin), doch trotzdem hat es das Interesse von Michael Callahan geweckt. Der US-amerikanische Mediziner war Anfang des Jahres selbst in Wuhan.
Zurück in den USA trommelte er eine Mannschaft aus Wissenschaftlern zusammen, die das Phänomen weiter untersuchen sollten. Mithilfe von Computeranalysen hat das Team herausgefunden, dass der Wirkstoff an ein Enzym des Virus, die Papain-like-Protease (PLpro), ansetzen kann. Da die genaue Struktur dieses Enzyms noch nicht bekannt ist, berechneten sie die wahrscheinliche Struktur mithilfe einer Kombination des SARS-Erregers von 2003 und der SARS-CoV-2-RNA. Anschließend screenten sie die Interaktion von über 2.000 Wirkstoffkandidaten mit dem Enzym. Famotidin war einer von drei vielversprechenden Kandidaten.
Aufgrund der Beobachtungen aus China und dem Ergebnis der Computeranalyse setzte sich Callahan dafür ein, eine Studie mit COVID-19-Patienten und Famotidin zu veranlassen. Und seit dem 16. April läuft in Krankenhäusern in New York tatsächlich eine randomisierte Doppelblindstudie mit 200 Patienten, insgesamt soll der Wirkstoff an über 1000 Patienten getestet werden. Famotidin wird dabei intravenös verabreicht und nicht wie üblich oral. Warum hat man bisher nichts von dieser Studie gehört?
„Wenn es funktioniert, werden wir es in wenigen Wochen wissen“, wird Forschungsleiter Kevin Tracey in Science zitiert. „Wir wollten nicht zu früh über das Thema reden, damit es keine Engpässe gibt und nicht falsche Schlüsse gezogen werden.“ Doch wie im Business Insider berichtet wird, ist genau das jetzt eingetreten: Nachdem mehrere amerikanische Medien über die Veröffentlichung des Science-Artikels berichtet haben, kam es in den USA zu Hamsterkäufen von Pepcid AC, einem bekannten Reflux-Medikament mit dem Wirkstoff Famotidin. In vielen Drogerien und Apotheken sei Pepcid AC und Generika ausverkauft. Ein ähnliches Szenario hatte sich schon vor Wochen mit Chloroquin abgespielt, als Trump das Malaria-Mittel als Wundermittel gegen Corona angepriesen hatte.
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