COVID-19-Patienten mit unterirdischer Sauerstoffsättigung im Blut plaudern mit dem Pflegepersonal und geben an, sie fühlten sich gut. Was ist die Ursache für diese „happy hypoxics“?
Es ist eine interessante Beobachtung, die bei COVID-19-Patienten gemacht wird: Patienten mit unterirdischer Sauerstoffsättigung im Blut plaudern mit dem Pflegepersonal und geben an, sie fühlten sich gut. In den USA werden diese Patienten auch als „happy hypoxics“ bezeichnet, berichtet Sciencemag. Doch was ist der Grund für diesen paradoxen Zustand?
Normalerweise liegt die Sauerstoffsättigung (sO2) im Blut bei mindestens 95 %. Bei den meisten pulmonalen Erkrankungen wie z.B. einer Pneumonie kommt es neben der Abnahme der sO2 zu einer Versteifung der Lunge oder zu Flüssigkeitsansammlungen und einer Erhöhung von CO2 (Hyperkapnie) durch die erschwerte Abatmung. Auch in schweren COVID-19-Fällen haben die Patienten aufgrund ihrer geschädigten Lunge oft Schwierigkeiten, selbstständig zu atmen.
Doch zu Beginn der Erkrankung kann es vorkommen, dass eine geringe Sauerstoffsättigung nicht unbedingt mit Atembeschwerden zusammenhängt. Patienten weisen dann normale CO2-Werte auf, aber eine extrem niedrige Sauerstoffsättigung (bis zu 50 %) und können trotzdem ziemlich unbeschwert atmen. So etwas kennt man auch von Bergsteigern, bei denen die Hypoxie sogar manchmal von einem euphorischen Gefühl begleitet wird.
Prof. Paul Davenport aus der Abteilung für Atemphysiologie der University of Florida erklärt das Phänomen so: „Unser Körper überwacht mit vielen verschiedenen Sensoren den CO2 -Gehalt im Blut – die Sauerstoffsättigung allerdings nicht.“ Damit meint Davenport, dass ein erhöhter CO2-Partialdruck der stärkste Atemantrieb ist. Ein abfallender arterieller O2-Partialdruck wird eher peripher wahrgenommen und führt erst bei starker Erniedrigung zu einer Steigerung der Atemfrequenz. Wenn manche Patienten also normale CO2-Werte aufweisen und auch das tiefe Einatmen noch möglich ist, dann merken sie nichts von ihren niedrigen O2-Werten.
Doch warum ist die Sauerstoffsättigung überhaupt so niedrig? Dafür hat die Pneumologin Elnara Marcia Negri aus São Paulo eine Erklärung parat. Sie vermutet, dass die Blutgerinnung das Phänomen beeinflusst.
Gerinnungsprobleme scheinen ein Merkmal von schweren COVID-19-Fällen zu sein (wir berichteten). Laut Negri könnte die Gerinnung in den feinen Blutkapillaren der Lunge beginnen und dazu führen, dass das Blut dort nicht mehr oxygeniert werden kann. Diese Hypothese wird durch eine Beobachtung gestützt, die Negri gemacht hat. Ihr fiel auf, dass Patienten, die Heparin verabreicht bekamen, eine bessere Sauerstoffstättigung aufwiesen.
Reuben Strayer, ein Notfallmediziner vom Maimonides Medical Center in New York City, findet es einleuchtend, dass die Hypoxie auftritt, weil „winzige Blutgefäße der Lunge mit Gerinnseln überhäuft werden.“ Allerdings sei es derzeit noch absolut unklar, ob das auch wirklich der Fall ist. Was die Ursache für die „happy hypoxics“ ist, müsste jetzt in Studien weiter erforscht werden.
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